Volltext: Die weissen Blätter (3(1916),1)

Gfassen 
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Heinrich Mann die Verhandlungen über 
die Übersetzung in eine fremde Sprache 
zu führen , , , Die Arbeit erschien dann in 
einer Münchener Wochenschrift, Flake 
weiß, daß der Roman infolge des Krieges 
überstürzt zu Ende gebracht wurde, er 
weiß, daß und warum das ausgedruckte 
Buch während des Kriegs nicht erscheint. 
Er hätte, ganz abgesehen von kamerad 
schaftlichem Anstand, Gründe, sogar per 
sönliche Gründe genug gehabt, diese Zu» 
rüdchaltung zu achten. Dabei nehme ich 
an, daß er aufrichtig, im Innersten durch 
den Krieg umgelernt hat, und daß er sich 
nicht einer Strömung fügte, die sein eigenes 
Denken und Trachten leichthin umwarf.. , 
Was er nidit nur über meinen Roman 
»Benkal«, sondern über mich schrieb, be 
rühre ich nicht,- es tat mir leid, daß er den 
Augenblick für gekommen hielt, nein, daß 
er sich in diesem schlecht gewählten Augen 
blick verleiten ließ, in der Neuen Rund 
schau weiterzugeben, was unser Lands 
mann Fritz Lienhard in seiner Flugschrift 
über das Elsaß ungefähr zur selben Zeit 
ausspielte, wo der von Lienhard verdäch 
tigte Ernst Stadler auf dem Sddaditfeld 
fiel: eine falsdie Charakteristik unserer 
während mehr als zehn Jahren gemein 
samen Bestrebungen, die auf eine unwür 
dige Denunziation hinauslief. Aber Flake 
überbot Lienhard: er vergaß v/iederum, 
daß er bis in die letzte Zeit sich selbst 
in jener, wie er sagt »hysterischen« Ver 
fassung befand, die er als die unliterarische 
Gemeinsamkeit der »Expressionisten« be 
zeichnet. Der Aufsatz ist schlecht, Wer 
von uns hätte noch keinen schlechten Auf 
satz geschrieben? Er bedeutet jedoch die 
Ausführung eines redaktionellen Auftrags, 
dessen Sinn nicht mißzuverstehen war. 
Den Auftrag hätte Flake, wenn nicht aus 
persönlichen, so wenigstens aus gesellschaft 
lichen Gründen ablehnen müssen, Wenn 
er ihn aber übernahm, so hätte er ent 
weder, in rücksichtsloser Aufrichtigkeit, ein 
ras eine 
Pamphlet schreiben sollen 
saubere Sache gewesen wäre — oder aber 
sich darauf beschränken müssen, literarische 
Angelegenheiten, ohne kulturhistorische 
Manöver, nach bestem Wissen literarisch 
einzuordnen. Die scheinbare Objektivität 
des Verfahrens, das er wählte, mag zeit 
gemäß sein. Sie ist widerlich und setzt 
einen Schriftsteller tiefer herab, als ihn zwölf 
gute Bücher hinaufheben könnten, die er 
noch in seinem Leben schriebe, 
Ich würde nicht bei einem Aufsatz wie 
dem besprochenen verweilen, wenn nicht 
Angelegenheiten, die sehr persönliche zu 
sein scheinen, heute in Wirklichkeit über- 
persönlidier Art wären: sie stellen Menschen 
dorthin, wohin sie endgültig gehören kraft 
der Prüfung, die ihnen von der Zeit auf 
erlegt ward. Gemeinschaften haben sich 
gelöst, andre werden sich statt ihrer bilden, 
Ihr Bestand wird fester sein, weil sie nicht 
durch Zufall, Neigung und Berechnung be 
stehen werden, sondern aus Treue zu 
sich selbst und der erprobten Widerstands 
kraft gegen Gewaltsamkeiten aller Art. 
Man wird gern alles verzeihen, aber gut 
tun, nichts zu vergessen, 
•k 
Da wir schon beim »Expressionismus« 
sind, will ich mit meiner Meinung über 
ihn nicht hinter dem Berg halten. Der Ex 
pressionismus ist ebensoviel und ebenso 
wenig wert, wie jedes Schlagwort. Es gab 
expressionistische Dichtungen, expressio 
nistische Gemälde, bevor es einen »Ex 
pressionismus« gab, Vielfach nennen wir 
heute expressionistisch, was früher roman 
tisch hieß, und deshalb ist es nicht riditig, 
daß uns die Intensität des Ausdrudcs, die 
ihn kennzeichnen soll, erst durch franzö-
	        
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