Volltext: Der Ararat (1 (1920), 8)

HOLLAND. 
Dr. F. Huebner, Haag, hat das hollän^ 
dische Kunstreferat für den „Ararat" 
übernommen, <D. R.) 
Ausstellung der Berliner Sezession 
im Haag. Eine Anzahl Berliner Sezessions 
mitglieder veranstaltet im Haager Kunsthaus 
Kleykamp soeben eine drei große Säle um 
fassende Ausstellung. Der Erfolg ist gleich 
Null. Die Presse bringt ablehnende Bespre 
chungen, das Publikum vermeidet es hinzugehen, 
Ankäufe finden nicht statt. Die Ablehnung liegt 
nicht daran, daß etwa""die Berliner Kunst hier 
im Lande zu revolutionär, zu unbegreiflich weit 
fortgeschritten wirkte, denn die neue hollän 
dische Kunst hält das nämliche Tempo ein, 
wie die Kunstbewegung aller Kulturländer, aber 
die propagandistische Vorbereitung des Unter 
nehmens ließ, wie so oft, fremde Gewohnheiten 
psychologisch unberücksichtigt. Dr. H. 
Die Amsterdamer van Gogh-Ver 
steigerung. Bei Frederic Müller® Co. hat 
am 18. Mai die Versteigerung jener Sammlung 
von M. L. C. Enthoven stattgefunden, die 
wegen ihres starken Bestands von Vincent 
van Gogh^Bildern bedeutend war. An Öl 
gemälden wies der Katalog 48 Nummern auf, 
wozu noch etwa 10 zeichnerische Arbeiten und 
ein paar Briefe kamen. Das Verkaufsergebnis 
bezeugte ein erhebliches Interesse für Vincents 
Schaffen in seiner frühen holländischen Zeit. 
Die Preise für die bekannten schwer nußbraunen 
Darstellungen des Webern und Bauernlebens 
in Nueuen blieben von denen nicht weit ent-= 
fernt, welche für die Werke aus Vincents fran 
zösischer Schaffenshälfte gezahlt wurden. Die 
Preise bewegten sich zwischen 600 und 17000 
Gulden. Die Hauptmasse der Bilder erwarb 
die Kröller'sche Sammlung im Haag. 
Dr. H. 
Neue russische Musik. 
Die Musik der Slawen <nicht nur um ihrer 
Ursprünglichkeit willen) bildet ein Problem, das 
bisher noch kein Komponist, von Glinka an 
gefangen bis zu Strawinsky hinauf endgültig 
löste. An ihrer Exotik mag es liegen, daß alle 
russische Musik uns seltsam neu und modern 
anmutet. Indessen sei festgestellt, daß die Kunst 
musik in Rußland überhaupt sehr jung ist,- die 
ältesten nachweisbaren Kompositionen stammen 
aus dem 17. Jahrhundert. 
In Deutschland ist man allzugeneigt, alles, 
was an Musik aus Osten kommt, über den 
Leisten einer gewissen französelnd-russischen 
Salonmusik zu ziehen, deren typischstem Ver 
treter, Tschaikowsky, einem nicht überaus be 
langvollen Kosmopoliten, nur ein Viertel der 
Beachtung, die ihm zuteil wird, zukommt. 
So geschah es, daß man dem „barbarischen" 
Modest Peter Moussorgsky seinerzeit in West= 
europa die Türe wies. Man verstand ihn ein 
fach nicht. Seine Musik war zu wild, zu un 
gewohnt. Die Akademie bekam Angst. Und 
erst Claude Debussy war es Vorbehalten, ihm 
die Salons von Paris zugängig zu machen. Ich 
will davon absehen, daß Moussorgsky zari- 
stische Opern schrieb, wie Glinka und Dar- 
gomyszky und alle russischen Komponisten, 
die beachtet werden wollten, es bis 1917 tun 
mußten. Ich sehe davon ab, daß er Klavier 
musik schuf, von der ich wenig kenne. Seine 
ganze phänomenale Stärke, seine zukunftwei 
sende Kraft, seine originale Harmonik ist kon 
zentriert in den Liedern, die er bis zu seinem 
1 odes= und 42. Geburtstage (am 28. März 
1881) teils auf eigene Texte schrieb. Alles, 
was von Debussy und den Impressionisten als 
„Neuestes" gestaltet wurde, liegt im Keim 
schon bei Moussorgsky. Die völlig freie, ton 
artlose und neue Tonarten bildende Harmonik. 
Die leiterfremden Melodien und unaufgelösten 
Vorhalte. Die bunten Quartenakkorde in enger 
und weiter Lage. Die vibrierende Rhythmik 
mit bald ewig wechselndem Takt, bald schärfst 
skandierendem Basso marcato. Die archaistisch? 
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