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Es sind immer nur die Ändern,—weil man selbst ein wich^
tiges stabiles „gesund empfindendes" Mittelpünktchen ist.
Gewiß ist viel Zerrüttendes in der Welt. Viel üble Folgen.
Die lautesten Ankläger sind heute noch jener Welt-
anschauung ergeben, die das Zerrüttende brachte.
Sie alle sind schuldig an dem W ahnsinn dieser Zeit und
können sich nicht rein waschen auf Kosten dieser unschul
digen Anna Blume.
Wenn späteren Generationen eine wahrheitsgetreue
Schilderung des Geschehens der letzten Jahre überliefert
wird, eine Schilderung, die alle Tollheit dieser Tage lebendig
aufzurollen vermag, so wird die Atmosphäre sie entsetzen.
Sie ist scheußlicher, als die meisten von uns wissen. Sie
haben sich langsam in den Wahnsinn hineingewöhnt. Sie
werden herumgewirbelt und finden keinen Abstand.
Denken wir nun einen Künstler, der über den Dingen steht.
Einen Künstler mit vibrierenden Nerven, der alles viel
intensiver empfindet als andere Menschen.
Denken wir, daß dieser Künstler sein Zeiterleben in
seiner Seele noch steigert. Daß er es umsetzt in Schwin
gungen gleichartiger Stimmung.
Können da Wiegenlieder entstehen?
Wenn spätere Generationen beides in sich aufnähmen, sie
würden die Zusammenhänge erkennen. Die Zeitschilderung
würde sie entsetzen. Die Dichtung würde sie erschüttern.
Als Zeitdokument betrachtet wird Anna Blume nach
hundert Jahren eine ergreifendere Sprache reden, als alle
Geschichtsberichte es vermögen.
Nach dreißig schon wird man die heutige Kritik in ihrer
Stellung gegen Anna Blume empfinden, wie wir die Zeiten
der Hexenprozesse.