Während der norddeutsche Gewährsmann das Pfingstbild bald dar-
auf in Deutschland verkaufte, scheinen ihm die zwei andern Tafeln
entglitten zu sein. Sie gelangten in den Münchner Kunsthandel und
durch diesen in die Schweiz. Am 9. November 1928 wurde dem Zür-
cher Kunsthaus durch einen Zürcher Händler zuhanden der eidgenös-
sischen Kommission der Gottfried Keller-Stiftung eine Anbetung
des Christkindes übergeben, genau gleich groß wie das Michaelbild,
aber bereits von Fred Bentz sachgemäß gereinigt, neben jenem von
bestechender Pracht und Klarheit der Farben. Wie für das Michael-
bild und das Pfingstbild die Beziehung zu der in drei Stichen des Mei-
sters E. S. verkörperten Tradition, war hier der Zusammenhang mit
der durch den Schongauerschen Stich der heiligen drei Könige über-
lieferten Komposition augenfällig. Der Preis, den der Zürcher Händler
verlangte, war viermal so hoch wie der Kaufpreis des Michael. Das
Landesmuseum lehnte ab, die Gottfried Keller-Stiftung vorerst eben-
falls. Vor der Wiederaufnahme verbindlicher Unterhandlungen wurde
das Bild durch einen Zürcher Privatmann erworben. Dieser überließ
es dem Kunsthaus zur Ausstellung auf kurze Frist. Die Zürcher Kunst-
freunde erinnern sich, daß es während der Monate Januar und Februar
in der obern Halle sichtbar war und sehr gut wirkte. Der neue Eigen-
tümer traf für die Verwertung Abmachungen mit dem englischen
Kunsthandel und gab den schweizerischen und zürcherischen Instanzen
Bedenkzeit, zuerst bis Ende Januar, dann noch einige Wochen darüber
hinaus, um es für hunderttausend Franken, das Vierfache des vom
Händler verlangten Preises, zu erwerben und vor dem sonst durch eng-
lische Vermittlung vorgesehenen Verkauf nach Amerika zu bewahren.
Darauf einzutreten waren weder die Gottfried Keller-Stiftung noch
das Zürcher Kunsthaus in der Lage. Das Dreikönigbild ging nach
England.
° Eine vierte Tafel war inzwischen von München her bei einem zwei-
ten Zürcher. Händler aufgetaucht und hatte sich noch einmal ‘als ein
Michaelsbild erwiesen. Der Erzengel stand in langem rot-weißem
Gewand als Seelenwäger in einer Wiesenlandschaft. Diese Tafel
war nicht gereinigt und erschien eher etwas matt und stumpf, aber
das Aussehen des gereinigten Dreikönigbildes gab Gewißheit, daß unter
der dick aufgestrichenen schlechten Goldbronze ein plastischer, edler
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