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ten, halb in der Sonne, steht auf niedrigem Steinbalkon.
Sie tragt ein weißes, ungestärktes Waschkleid, das in
Eau de Javelle getaucht wurde.
Sehr gerührt bin ich von der Liebenswürdigkeit dieses
Mädchens, sich so phantastisch in einer trostlosen Straße
auf dem Balkon anzubieten. Sie weiß nichts von mir. Bin
jetzt nur noch eine bestellte Sonntagstorte. Wir gehen an
ihrem Hause vorüber. Sie kokettiert ein wenig ,mit mei
nem Herrn.
Er bemerkt sie auch und scheint froh, daß es so etwas
gibt, denn er schmunzelt, es kommt ihm zustatten.
Das Mädchen sieht mich aus Sumpfaugen an, läßt
mich passieren. Sie hat so vielmals gefärbte Haare. Si
cher hat sie vergessen, wie deren Naturfarbe war. Das
sind Farben wie im Märchenbuch.
Biegen wir noch eine Straße ab? Der Weg ist doch
sehr lang. Sind wohl schon über die Mittagsstunde hin
aus. In dieser Straße sind die Häuser plötzlich freund
licher, lebhafter gestrichen, aber ich hatte doch mehr Ver
trauen zu der anderen Straße.
„Das übernächste Haus da rechts ist es."
Ich bekomme ein schlimmes Herzklopfen plötzlich; wie
ich Angst habe, wenn in einer Arena die Löwen mit der
Peitsche gejagt werden und dann das Gitter nicht sicher
scheint . . . Oh . . .
Mein Herr zieht an einem eisernen Glockenzug. Wir
warten. Ich konstatiere: sechs Fenster sind an dem rosa
Hause verhangen.