erschüttern. Und sie weiß nicht, wie sie mich erschüt 
tert. ✓ 
Nichts hat mich je tiefer erschüttert, als gerade sie. Sie 
ist das verrufenste Mädchen in dieser Stadt, und auch da 
von weiß sie nichts. 2hr Bewußtsein ist gestorben. Wie 
ein Automat wird sie sich alltäglich die rote Schleife in 
die grauen Haare flechten. In die geblümte Morgenjacke 
wird sie gleichgültig mit welken Armen hineinschlüpfen. 
Das ist ihre Gewohnheit, bei der sie sich nichts mehr den 
ken kann. 
Vielleicht kann nur ich es. Vielleicht denkt keiner ihrer 
Besucher sich etwas bei ihr, denn ihre Stube, im Hochpar 
terre, ist dunkel. Die Fenster von deutschen Eisenstaben 
vergittert. Ihr Bett wird im Hintergründe des Zimmers 
stehen. Ich weiß es nicht und weiß es doch. 
Wie ein Liebhaber ohne Aussicht schleiche ich um ihr 
Haus: Und da drinnen im Raume wird jemand erhört, 
der fünfzig Pfennige und sonst nichts zu bieten hat. Vor 
dem matt erleuchteten Fenster stehe ich und darf nicht hin 
durchspähen. In mir brennt alles, brennt ohnmächtig, 
umsonst. Soll ich umsonst gelebt haben? 
Hinter verhangenen Fenstern schlafen die Menschen. In 
diesem Viertel, hinter der Mauer, können sie schlafen, 
während hinter dem Fenster auf einem Lumpenlager Hoff 
nungsloses dem Tode lebt und einen Leib versorgen muß, 
in dem das Herz nicht mehr zur Freude schlägt. Wie kann 
man hier schlafen? Hinter der Mauer, und wo immer, 
schlafen um diese Zeit? 
Ich aber gehe wachend durch die Straße. Sollte meine 
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