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ich. Ist aber auch nicht nötig. Hab' mich nicht einmal ge
pudert, damit man sieht, daß es mir heiliger Ernst ist.
Meine gemalten Augenringe von gestern sind noch nicht
ganz weggewischt, aber die sollen mich nicht hemmen . . .
So neige ich langsam den Kopf, mein Spiegelbild eben
falls. Generalprobe.
„Entschuldigen Sie, könnten Sie vielleicht . . . eine
noch junge Leiche brauchen?" Mein Gott, wie werde ich
das wißen können. Sich das begreiflich machen und rich
tig vorstellen. Ich kann ja noch nicken. Junge Leiche hin,
junge Leiche her! Oh, ich habe das Reckturnen im Gehirn.
Das schickt sich nicht für mich.
Also einfach, aber nett: „Haben Sie vielleicht Verwen
dung für mich? Zum Beispiel als Leiche." Zum Beispiel?
Das paßt mir gar nicht. Da kann mir ja der Anatomie
mann sagen: „Schönes Beispiel!" — Meine Wirkung als
Beispiel wird erst nach meinem Tode offenbar werden,
und selbst dann wird sie sich nicht konstatieren laßen. Also
sich nicht als Beispiel hinstellen.
Meine Hände sind schon ganz heiß. Vielmehr, sieFnd
noch heiß. Mit warmen Händen muß ich in die Anatomie
gehen. Ich gehe vom Spiegelfenfter weg. Ich laufe beinahe
über die Straße. Ich will zu einem Ende kommen. Ziel,
Ziel . . . Vielleicht bieten sich doch nur ältere Leute der
Anatomie an, die schon einige erwünschte Eigenschaften
mitbringen. Ich bemerke: ich bin noch so unerhört lebendig
und frisch; habe nur gesehen, daß man stirbt. Sterben
ist üblich. Unumgängliche Mode, die jeder mitmachen
muß. Bin ja nur das Kind meiner Zeit, der ich mich nicht