Full text: Das Brandmal

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so weit abseits ginge, — würde ich es hindern können, daß 
hier Menschen tanzen, die das Leben falsch erfassen? 
Geschöpfe auf Irrwegen würden mich begleiten im Gei 
ste, immer mit mir sein, wohin ich mich auch wenden wür 
de. Kein noch so starkes neues,Erlebnis würde meine Er 
innerung auslöschen können, die Erinnerung, daß ich mit 
einer ganzen Klasse einer Wahnidee nachlebte. 
Es ist mein Unglück, daß mir die Vergangenheit im 
Gedächtnis der Stille viel lauter schreit, als sie mir einst 
in Wirklichkeit erklungen ist. Ueber den aufgebauten Turm 
meines Erlebens werde ich nicht hinwegsehen können, nie 
ihn von der Höhe, von der Spitze überschauen können. 
Ich muß gerüstet sein, die Nachwirkung der lauten 
Nächte zu ertragen, übertönen, überwinden. Seltsam, ein 
Batistkleid scheint so leicht zu sein. Was ist es doch, das 
meine Schultern so schwer drückt? 
Als ich die Bahnhofstraße entlang ging, fiel mir ein 
Briefkasten auf. Darauf stand geschrieben: „Zur Abho 
lung der Güter." Da blieb ich stehen, schrieb auf meine 
Visitenkarte: „Ein Wille ist abzuholen, Mehlgasse 2." 
Kein Gepäckträger ist gekommen. 
Ich werde mich selbst bringen. Wenn ich so erfüllt sein 
werde, daß die Form meines Daseins gesprengt wird. 
Auch aus der kriechenden Raupe kann ein Schmetterling 
sich entfalten. Ich ersehne und erwarte die Entpuppung. 
Verwandlung allein erstreben.
	        
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