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bedenken, wenn wir der Gesellschaft, den Mitmenschen
Grund geben, an uns Aergernis zu nehmen. Niemand är
gert sich doch ohne Grund. Wären wir gerechtfertigt, dann
wären wir Harmonie. Wir aber sind Disharmonie für
feine Ohren.
Ich glaube nicht daran, daß auch nur eine von euch rest
los mit sich einverstanden ist. Hat wohl eine von euch
die Menschen derart überwunden, daß Urteil und Ver
achtung nicht mehr schmerzten; daß sie schließlich nicht
mehr empfunden wurden? Das gefährliche Ende, ein Irr
tum. Hieße das nicht, sich selbst aus der Liste der Lebenden
streichen? Was für ein Widerspruch, sich bei Lebzeiten für
tot zu erklären.
Ich gehöre nicht dazu. Gehörst du dazu? Die Gemein
schaft des Heiligen Geistes sei mit dir. So empfindest du
und die Hoffnung schläft selbst im Tode nicht ein. Der un
widerrufliche Tod ist unausdenkbar wie das Nichts, das
es nicht gibt, nicht geben darf, nicht geben kann, solange
geatmet wird. Und zu welchem Ende atmest du? Haft du
daran gedacht?
Wer von euch hat nicht ersehnt, erstrebt, versucht zu
erkämpfen: jede Sekunde möge das Gepräge meiner Kraft
tragen und weiter wirken, das Geständnis der Jugend?
Wie vieles umspannte deine erste Sehnsucht? Oh, daß wir
uns besinnen könnten, täglich in uns erneuern das erste
Gelübde: aus der reinen Freude die Freude der Mensch
heit zu werden. Die Seele ist die Lust, o armes Kind der
Schmerzen. Wie könnte dir eine flüchtige Lust genügen?
O mein Gott, wir haben nicht immer die Kraft, dich