Full text: Das Brandmal

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Tasche. Mein Kopf war leer und schwer. Nur ein Gedanke 
tauchte auf, entfernt: ich könnte eine Familie mit beschei 
denen Ansprüchen ernähren. Vielleicht wäre das eine Le 
bensaufgabe, und einigen Menschen, die mehr wert sind 
als ich, wäre geholfen. 
Vielleicht war es meine Ehrlichkeit, die keine falschen 
Illusionen duldet, sich aufraffte und mich ein Engagement 
hier in Budapest annehmen ließ. Ich will nur noch so 
lange singen, bis ich mir die Ausstattung ersungen habe, 
mit der ich in ein Trappistenkloster einzutreten hoffe. 
Ich werde bald schweigen können, denn ich habe gesagt 
und gesungen mancherlei Melodien. Ich bemerke, daß es 
sich leichter singt, wenn man genau weiß, daß man einmal 
schweigen wird. 
Im „Royal Orpheum" existiert kein Schweigegebot. 
Im Gegenteil. Es ist ein wahrer Höllenspektakel. Um so 
bester. 2e mehr Lärm, desto gründlicher werde ich geheilt 
sein. 
Hier ist ein Riesen-Variete. Man spielt eine ungarische 
Revue mit vielem Personal, „Vera Violetta". Allabend 
lich. Kein Zweifel: es duftet hier mehr nach Patschuli. 
Eine Negergesellschaft von dreißig oder vierzig Wuschel- 
köpfen tritt auf. Eine einzige große Negerin, Andalusi- 
sches hineingemengt, steht im Mittelpunkt dieses spekta 
kelnden Neger-Ensembles. Sie aber ist eine grandiose, 
bunte Schlotterkönigin. Eine feuerrote, wallende Feder im 
undurchdringlichen Urwald ihres verschwärzten Haares.
	        
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