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das Pflaster, die Sonne, alles tritt in den Hintergrund
und verschwindet. Ich fühle nur Zeit. Ich komme nicht
heraus.
Sitze im Park und frage mich: will ich nur atmen, in
die Zeit hineinatmen? Ich besitze nichts mehr. Nur noch
Zeit, und die kann ich nicht halten. Ich weiß nicht mehr,
wohin ich gehe. Bin erstaunt, daß zwei Tage vergangen
sind. Ich hätte das kaum für möglich gehalten.
Ich hab' meine Haare verkauft. Viele Haare, lange
Haare. Alles abschneiden lasten. Vielleicht war das das
einzige Reelle, was mein Kopf ans Licht gefördert hat.
Vielleicht die einzige Kraft und Energie. Ich bin sie los.
Meine Haare lagen glänzend und weich auf dem sau
ber polierten Glastisch eines duftenden Friseurladens.
Ein alter Coiffeur hat sie noch bewundernd gestreichelt...
So zärtlich sind sie noch nie gestreichelt worden. Der Coif
feur hat gefragt, wieviel Geld ich für die Haare haben
will.
„.. . als wär's ein Stück von mir. . sang's leise.
„Ich weiß nicht, wieviel ich dafür nehmen kann. Ei
gentlich habe ich gar keinen Anspruch. Es ist eine Ernte,
die ich nicht gesät habe."
Ach, die Haare fielen wie reifes, gelbes Korn.
Darf ich nicht bewundern, was von mir gelöst ist? Und
ich habe die Haare auch liebkosend gestreichelt. Da hat
der alte Coiffeur gelächelt und hat mir fünf Mark gegeben.