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das jugendliche Karminrot auf ihre hängenden Backen so
reichlich aufgetragen . . . Darüber ich weine. Daß die
Schminke so traurig ist! Wie mich der Fehlgriff einer
Frau rührt.
Jemand hat der Patronin in die Backe gekniffen. Und
ste ist so ruhig geblieben, ste hat still gehalten. Ich weiß
ja, sie hat eine Animierkneipe. Darum, nur darum ist ste
still. Das aber war doch kein Grund, sie so zu beleidi
gen.
Als aber ein Gast an ihre Brust griff, entfuhr mir
ein Schrei der Entrüstung. Ich schrie so laut, daß die
Gesellschaft in den Erker sah, was es bei uns gebe.
Da rief die Patronin nach Nettchen und flüsterte ihr
etwas ins Ohr. Nettchen kam zurück und sagte mir,
ich möge mich beherrschen. Welch unnötiges Verlan
gen! Herrsche ich etwa nicht über mich, wenn ich sehe,
was hier vorgeht?
„Ich möchte einen Kaffee trinken," sagte ich zum jun
gen Vater. „Und trinken Sie weniger Sekt. Sie haben
entschieden zuviel getrunken."
„Sie sind wohl besorgt um mich?"
„Sorgen Sie um sich selber." Dann fiel mir die Frau
mit dem Kinde wieder ein.
Die Patronin ries mich zu sich an die Theke. Sie sah
mich böse an:
„Sie wollen eine Kellnerin sein?"
„Es scheint so." Ich war bestürzt.
„Dann schlagen Sie gefälligst einige mehr weltliche