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An Öer Wand gegenüber, bescheiden in Rückendek-
kung, hatte sich Fräulein Annie, die Freundin Engels,
ein helles Bier bestellt, ihren Fuchspelz loser gehängt;
besah sich die Fingernägel, aus denen sie mittels eines
zerknickten Streichholzes die Erdkrumen zu verdrängen
suchte, und war sehr besorgt, mit der Manicure nicht
fertig zu werden, bevor sich ein Herr mit schottischem
Schäferhund, der jetzt eintrat, allenfalls' zu ihr setzte,
um ihr Gesellschaft zu leisten.
Sie lächelte kopfschüttelnd, als sei sie erstaunt,
zu lächeln, konnte jedoch ihren Hals nicht recht drehen,
weil ein Furunkel dransass.
Dieser Furunkel: ein Unglück! Er wanderte über
den ganzen Körper. Bald da, bald dort tauchte er auf,
gesellte sich andern Furunkeln zu und konnte schon
bald den Eindruck erwecken, als sei er ein ganz be-
stondrer Furunkel. Annies fixe Idee war, er möchte
von heute auf morgen am Hals verschwinden und
zwischen den Zähnen auftauchen. - Drum zog sie die
Oberlippe stets hoch und die Unterlippe hing ihr vom
Munde weg. Doch jener Furunkel tat das nicht.
Der Herr trat näher und sägte verbindlich:
„Wenn Sie gestatten, Fräulein!“
„Oh, bitte!“ sagte Annie und nahm zugleich mit
dem Stuhl ihre Röcke zusammen, um Platz zu machen.
Und in ihr silbernes Etui greifend:
„Rauchen *Sie eine Zigarette?“
„Sehr liebenswürdig!“ sagte der fremde Herr und
zog das Zigarettenetui näher zu sich heran.
Herein trat Fräulein Frieda, der ,Hinkepott‘, auf
getakelt in Seidengrimmer, mit ausgeleierter Hüfte ver
schoben haxend. Ihr folgte Fräulein Dada in einem