Full text: Flametti oder vom Dandysmus der Armen

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Besonders Lydia übertraf alle Begriffe von Gier. 
Kaum erschien die Platte mit Fleisch oder Gemüse, 
so hatte sie schon die Gabel oder den Löffel zur 
Hand, und wer sich nicht seinerseits sehr beeilte, 
ging leer aus. 
Sie assen systematisch, überzeugt, mit Absicht. Sie 
assen, als gelte es Vorrat zu essen ohne Rücksicht 
auf diesen geschwollnen Patron, der ihnen durch 
seinen ganzen Prozess, durch sein ganzes schuldbe 
wusstes Benehmen die Ueberzeugung eingab, es komme 
nun nicht mehr drauf an, Rücksicht walten zu lassen. 
Während des Mittagessens aber machte Lottely 
einen Finger gegen Flametti und drohte klug: „Du, 
du!“ schlug mit dem Suppenlöffel auf den Tisch, dass 
die Körner der Reissuppe spritzten; schnellte sich in 
unbewachten Momenten mit beiden schmutzigen Schuh- 
chen auf dem gebürsteten Plüschsofa, hopsend und 
krähend; warf die grosse steinerne Vase mit dem im 
prägnierten Binsenstrauss um, hinter der Tür; heulte 
und quäkte. 
Mutter und Tante assen ruhig weiter, in wetteifern 
dem Tempo, Unbekümmert, Sachlich, eilig, wiq Harpyen, 
deren Geschäft es ist, möglichst viel Frass zu schlucken 
und zu verdauen. 
Flametti versuchte die Lücken in seinem Ensemble 
auszufüllen und eine Geigerin kam ins Haus, eines 
Tags, um Probe zu spielen. 
Leider: sie war nicht geschaffen fürs rauhe Leben. 
Von einer gottergebenen Friedlichkeit war sie und 
Naivität. Hatte bis dato ihr Brot verdient durch 
Aufspielen von Kinderstücken in den Kneipen und 
Spelunken der Fuchsweide.
	        
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