183
Besonders Lydia übertraf alle Begriffe von Gier.
Kaum erschien die Platte mit Fleisch oder Gemüse,
so hatte sie schon die Gabel oder den Löffel zur
Hand, und wer sich nicht seinerseits sehr beeilte,
ging leer aus.
Sie assen systematisch, überzeugt, mit Absicht. Sie
assen, als gelte es Vorrat zu essen ohne Rücksicht
auf diesen geschwollnen Patron, der ihnen durch
seinen ganzen Prozess, durch sein ganzes schuldbe
wusstes Benehmen die Ueberzeugung eingab, es komme
nun nicht mehr drauf an, Rücksicht walten zu lassen.
Während des Mittagessens aber machte Lottely
einen Finger gegen Flametti und drohte klug: „Du,
du!“ schlug mit dem Suppenlöffel auf den Tisch, dass
die Körner der Reissuppe spritzten; schnellte sich in
unbewachten Momenten mit beiden schmutzigen Schuh-
chen auf dem gebürsteten Plüschsofa, hopsend und
krähend; warf die grosse steinerne Vase mit dem im
prägnierten Binsenstrauss um, hinter der Tür; heulte
und quäkte.
Mutter und Tante assen ruhig weiter, in wetteifern
dem Tempo, Unbekümmert, Sachlich, eilig, wiq Harpyen,
deren Geschäft es ist, möglichst viel Frass zu schlucken
und zu verdauen.
Flametti versuchte die Lücken in seinem Ensemble
auszufüllen und eine Geigerin kam ins Haus, eines
Tags, um Probe zu spielen.
Leider: sie war nicht geschaffen fürs rauhe Leben.
Von einer gottergebenen Friedlichkeit war sie und
Naivität. Hatte bis dato ihr Brot verdient durch
Aufspielen von Kinderstücken in den Kneipen und
Spelunken der Fuchsweide.