Full text: Flametti oder vom Dandysmus der Armen

18 
Ein Wunder, dass dieser Erker im nächsten Mo 
ment nicht krachend zusammenbrach und samt der 
guten Mutter Dudlinger in eine mysteriöse Tiefe hin 
unterstürzte. Erstaunlich, wenn man's bei Tag besah, 
dass man in diesem Erker sogar zu dreien sitzen 
konnte! Und Engel hatte mit Mutter Dudlinger und 
Mary zu dreien darin gesessen. Man hatte gesprochen 
vom Krieg, vom Konzert, von den schlechten Zeiten; 
im Zimmer nebenan hatten die Sektpfropfen geknallt, 
und Mary hatte gegähnt, weil ihr Kavalier aus Chaux- 
de-Fonds eine Anspielung machte auf ihre Gesundheit. 
Da hatte sie sich natürlich zurückgezogen und spielte 
die Beleidigte. Und Mutter Dudlinger hatte die Blätter 
der künstlichen Rebe zurechtgebogen und ein 
gesprochen auf Mary. Aber es half nichts. Sie war 
beleidigt. 
Als Flametti und Engel oben in die Stube traten, 
stand die Suppe bereits auf dem Tisch. Um den Tisch 
sassen: Herr und Frau Häsli nebst Tochter, das Jodler 
terzett; Herr Arista, der Damenimitator; Fräulein 
Laura, die Soubrette, und Herr Meyer, der Pianist; 
Bobby, der Schlangenmensch, und das Lehrmädchen 
Rosa. Sämtlich mit Löffeln und Schlucken beschäftigt. 
Herr Häsli hatte die Serviette vorgebunden, damit 
er sein gutes Hemd nicht beflecke. Bobby schlarpste. 
Jennymama, Flamettis Frau, sass malerisch auf der 
Sofakante bei der Schlafzimmertür, rosig wie eine 
Venus, im lachsfarbenen Schlafrock, den sie mit der 
rechten Hand sorgsam über die Hüften geschlossen 
hielt. Das offene Haar, mit Wasserstoffsuperoxyd 
gebeizt, war flüchtig zurückgestrichen. Die Suppen 
schüssel dampfte. Und der Pianist benutzte den giin-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.