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PREsentismus
GEGEN DEN PUFFKEISMUS DER TEUTSCHEN
SEELE
Leben heißt, alle Möglichkeiten, Gegebenheiten der Se
kunde zusammenpressen in faßbare Energie, Weisheit.
Die Ewigkeit ist nichts, sie ist nicht älter oder besser
als das Mittelalter, sie stammt ab vom Gestern, sie ist
im Monde oder in der zahnlosen Kieferhöhle des Grei
ses, verstärkt durch die lächerliche bürgerliche Intelligenz,
die einer Luftdruckbremse gleicht! Laßt uns alle alten
Vorurteile hinwegfegen, das Vorurteil, es sei etwas
gestern gut gewesen oder es werde morgen besser
sein, nein! laßt uns das Heute sekündlich fassen! Die
Zeit ist eine Zwiebel, hinter deren Haut eine andere
Haut und noch wieder eine Haut ans Licht tritt... Wir
aber wollen das Licht! Der Mensch hat zwei Richtun
gen seines Wesens: Die zum Unmöglichen und die nach
dem Unzähligmöglichen!! Das Unmögliche wird ihm
nicht in dieser Sekunde, in unserer Zeit, am heutigen
Tage gelingen, sei es Gott, oder das schöpferische
Prinzip, die lebendige Dynamik, die wie ein Ansauge
motor die Welt, das Geschehen, die Ereignisse zusam
menzieht, und sie die mögliche Welt bilden läßt — dem
Menschen ist es aus einer lächerlichen Einfalt nötig,
nach dem Unerfüllbaren des Ideals Sehnsucht zur
Schau zu tragen und dies unerfüllbare Unmögliche ist,
aus sich selbst ein Perpetuum mobile zu gestalten, ein
Monstrum von Kugel, die gleich der Sonne im Raume
schwebt! Fort mit dieser Sehnsucht, fort mit dem Un
möglichen, weil es nicht möglich und verwirklicht ist!!!
Überlaßt es den Golems und Rautendeleins! Wir wollen
uns an das unaussprechbar beglückend Mögliche halten!
Seine zahlreichen Emanationen wollen wir in das Heute
binden und wollen uns von allem Möglichen umwandeln
lassen zum Lebenden, das Leben durch die mechanische
Bewußtheit, durch die kühne Erfindung, durch die Ver
wirklichung seiner Einfälle, seines Geistes, (denn nichts
sonst verdiente Geist zu heißen) vorwärtsstoßenden
Ingenieur seiner mannigfaltigen Vorstellungskräfte zu
machen! Lassen wir alle alten Sentimentalitäten bei
seite, die Utopie der Neuheit wird schneller Wahrheit,
als die ewig bedächtigen, die bürgerlichen Sicherheits
gehirne glauben!!
In dem ungeheuren Dämmern, das uns umgibt, uns das
Herz und das Hirn zusammenpreßt, weil es Nacht wer
den kann und auch Licht: in dieser Sekunde laßt uns
eine energische Entscheidung treffen! Wir wollen das
Licht, das in alle Körper eindringt, wir wollen die feinen,
beziehungsreichen Emanationen nicht vor unserem er
müdeten Auge versinken lassen; wir wollen mit dem
Licht das große, unentdeckte Amerika, das Leben! In
dem ärgerlichen Grau einer protestantischen Verzweif
lung wollen wir alle Ventile öffnen und die elektrischen
Ventilatoren in rasende Umdrehung versetzen, um
eine Athmosphäre zu schaffen für unsere zeitgemäßen
Ideen! Wir wollen in dieser mitteleuropäischen
Flachheit endlich den Aspekt einer Welt, die
real ist, eine Synthese des Geistes und der
Materie — anstatt der ewigen, nörglerischen
Analysen und Bagatellen der deutschen Seele!!
Die Zeit der destruktiven Psychologien und Rela
tivitäten ist vorbei — eben, noch in der letzten
Stunde haben wir sie endgültig begraben: wir stehen
vor der äußersten Entscheidung zur möglichen Welt!
Zu unseren Füßen sehen wir das Mittelalter, das
Gestern der Klassik, die Mystik und den Trieb nach
der gewöhnlichen Hübschheit — wir wünschen nicht
ihre plagiathafte Wiederbelebung und nicht die faden
dünnen Abstraktionen! Schönheit, das ist eine Sache,
die während des Produktionsprozesses entsteht! Wir
wollen unserer Weltsekunde voll Mut gegenüberstehen!
Wir sehen rundum aber statt dessen das Bestreben, alte
Götzen wieder aufzurichten, schon stehen viele mit Be
schwörergesten vor Altem da und verwirren die nötige
Klarheit unseres Bewußtseins. Wir wollen neu, kühn,