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elektrische, naturwissenschaftliche Malerei!!! Die Wellen 
von Schall und Licht und Elektrizität unterscheiden sich 
nur durch ihre Länge und durch ihre Schwingungsanzahl 
voneinander; nach den gelungenen Versuchen mit den 
mobilen freischwebenden Farberscheinungen von Tho 
mas Wilfred in Amerika und den Tonexperimenten 
der amerikanischen und deutschen Funkenstationen ist 
es eine Kleinigkeit, diese Wellen durch geeignete Transfor 
matoren von Riesenausmaß zu farbigen oder musika 
lischen Luftvorstellungen zu gebrauchen... Nachts werden 
riesige farbige Leuchtdramen sich an unserem Himmel 
abspielen und tags werden diese Transformatoren auf 
Tonwellen umgestellt, die die Atmosphäre zum Tönen 
bringen!! Durch die Elektrizität sind wir instand gesetzt, 
all unsere haptischen Emanationen umzuformen in mo 
bile Farben, in Geräusche, in eine neuartige Musik; der 
Taktilismus, von dem uns Marinetti verkündel, daß man 
bei ihm seinen Schrei unter dem Einfluß der durch die 
rollenden Bänder hervorgerufenen Empfindungen in die 
Welf hinausstößt, ist ein Ersatz für den Sadismus der 
altrömischen Gladiatorenkämpfe, er ist aus seinem Geist 
entsprungen, aber er stellt nichts Neues dar! 
Wir fordern die Erweiterung und Eroberung all unserer 
Sinne! Wir wollen ihre bisherigen Grenzen zersprengen!! 
Aus Italien kommt zu uns die Nachricht von Marinettis 
Taktilismus! Er hat das Problem der haptischen Emp 
findung damit unklar gefaßt und verdorben! Marinetti, 
der modernste Mensch Europas, ist uns unsympathisch, 
denn er geht vom Zufall aus und nicht von der über 
legenen Bewußtheit. Nieder mit allem Unvitalen, nieder mit 
aller Beruhigung! Vergegenwärtigen wir uns, daß allen 
unseren Sinnen beigemengt oder die beinahe entschei 
dende Grundlage aller der Tastsinn ist, der haptische 
Sinn, dessen Emanationen als exzentrische Empfindungs 
fähigkeif über die 600 Kilometer Dunsthülle der Erde als 
geschleuderter Blick hinauswandern zum Sirius oder den 
Plejaden, so kann nicht eingesehen werden, warum wir 
diese wichtigste unserer Wahrnehmungen nicht selb 
ständig, zu einer neuen Kunstgattung machen sollen. 
Wir fordern den Haptismus, wie wir auch den Odoris 
mus fordern II Laßt uns das Haptische ausdehnen und 
wissenschaftlich begründen über die bisherige bloße Zu 
fälligkeit hinaus!! Die haptische Kunst wird den Men 
schen erweitern! Wozu sentimental an alten Künsten des 
Auges oder des Ohres fesfhalten? Wozu überhaupt Sen 
timents, die nur im Fesfhalten, im Erinnern an eine Sache 
bestehen? Der neue Mensch habe den Mut, neu zu sein! 
Überlassen wir die Photographie des Lebens, die Psycho 
logie, das Verständnis für die Erschütterungen der Seele, 
des Gemütes den Schwächlingen, die es nicht unterlassen 
können, in ihnen zu wühlen, — sie gehen uns nicht 
verloren, so wenig uns unsere Leiblichkeit verloren geht, 
die Stehkragen und die Frauenhosen. Für ewige Lieb 
haber ihrer selbst und von Lottchens Schönheit taugt 
eine Kunst, wie sie die Zigarrenschachtel oder die Seifen 
kartons darbieten, wir aber wollen uns direkt in unsere 
schöpferischen Emanationen selbst hineinwagen. Dies 
scheint schwierig in einem Lande wie Deutschland, in 
dem es noch nie eine Idee von Bedeutung gab, die nicht 
sofort zu einem Gebrauchsgegenstand des seelischen 
Klosetts dieser Rasse gemacht wurde. Der einzige mo 
derne Mensch dieser Gegend, Richard Hülsenbeck, hat 
sich ins Dunkel zurückgezogen und wir wollen sein 
Schweigen ehren! Nieder mit der Klumpigkeit der deut 
schen Seele! Wir wollen an die Verfeinerung unseres 
wichtigsten Körpersinnes uns begeben; es lebe die hap 
tische Emanation!! Nieder mit dem oberflächlich ver 
standenen Takfilismus, der Haptismus ist die Differen 
zierung des modernen Lebensgefühls! Bauen wir 
haptische und telehaptische Absendestafionen! Das hap 
tische Theater wird diese bürgerliche Klasse von leben 
digen Totengräbern, die in ihrer Ökonomie und ihrer 
angeblichen Wissenschaft sich zu einem ewigen Winter 
schlaf verpuppt haben, in ihren verkümmerten Lebens 
energien treffen und aufrüffeln, zur Auflösung bringen! 
Wir wissen es, die hohen Aufgaben existieren, aber wir 
wollen uns nicht erlauben, das uns unerreichbare Ideal 
in Kraftlosigkeit und Schwäche anzubeten! Wir wollen
	        
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