Das Wort und das Bild.
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Refraktär, und das letztere mit überwiegender Bedeutung. Er
opfert den Dichter dem Flüchtling auf. Als Poet hat er Großes
geleistet, doch nicht das Letzte. Ihm fehlt die Gelassenheit, die
Gabe des Zuwartenkönnens. Eine wilde oder verwilderte Anlage
steht den priesterlich-sanften, den maßvollen Grundkräften eines
synthetischen Menschen, eines geborenen Dichters, bis zur Ver
nichtung im Wege. Einklang und Equilibre erscheinen ihm nicht
nur zeitweise, sondern fast ununterbrochen als sentimentale
Schwächen, als luxuriöse Inkantationen; als ein vergiftetes An
gebinde der sterbesehnsüchtigen europäischen Welt. Er fürchtet,
der allgemeinen Erschlaffung und Verweichlichung zu erliegen;
fürchtet, der Dupe einer nichtswürdigen Dekadenz zu sein, wenn
er den schüchternen, stilleren Regungen folgte. Er kann sich
nicht entschließen, diesem Europa die Fatamorgana glanzvoller
Abenteuer zu opfern.
Rimbauds Entdeckung ist der Europäer als der falsche Neger*.
Die hypokrite Verkafferung Europas, die allgemeine Selbstent-
seelung, das humanitäre Kapua der Geister bis zum Opfer seiner
Begabung durchlitten zu haben, dies ist seine Spezialität. Als
er dann nach Harar und Kaffa kam, mußte er einsehen, daß auch
die echten Neger seinem Ideal nicht entsprachen. Er suchte eine
Wunderwelt: Rubinregen, Amethystbäume, Affenkönige, Götter
in Menschengestalt und phantastische Religionen, in denen der
Glaube zum Fetischdienst an der Idee und am Menschen wird.
Er fand zuletzt auch die Neger nicht der Mühe wert. Er resignierte
als freundlicher Medizinmann und Götze inmitten begrenzter
banausischer Landmannschaft. Er hätte das, etwas langsamer,
auch in der Bretagne oder in Niederbayern haben können. Die
Neger waren jetzt schwarz, früher waren sie weiß. Diese züch
teten Strauße, jene züchteten Gänse. Das war der ganze Unter
schied. Er hatte das Wunder der Plattitüde und die Mirakel