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Das Wort und das Bild.
des Alltags noch nicht entdeckt. Man kann von ihm lernen, wie
man es nicht machen soll. Er ging einen falschen Weg bis zum
Ende.
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Er hatte ein religiöses, ein Kultideal, von dem er selbst frei
lich nur das Eine wußte, daß es größer und wichtiger sei als
eine poetische Sonderbegabung. Diese Ahnung gab ihm die Kraft,
freiwillig auszuscheiden, annullierend, was er geschaffen, wären
es selbst Meisterstücke dessen, was man zu seiner Zeit unter
europäischer Dichtkunst verstand.
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22. VI. Sapienti Sade. Dem Weisen genügt ein Blick in die Bücher
des lasterhaften Marquis und er erkennt, daß noch die krüdesten
Elaborate mit dem Anspruch entstehen, die Sache der Wahrheit
und Aufrichtigkeit zu vertreten.
•X*
Sade meint, daß das Laster die eigentliche' Natur des Men
schen ausmacht. Er beichtet aber nur die Sünden des ancien
regime. Er hat dafür siebenundzwanzig Jahre in der Bastille
gesessen. Es gibt eine Kategorie von Büchern, die man ohne
Empörung nur hinnehmen kann, wenn man sie — als Beicht
spiegel betrachtet.
Der Marquis hat einen Feldzug mitgemacht! Die Tugend
phrasen seiner Zeit erregen ihn bis zur Wut. Er will den Urtext
wiederherstellen. Er ist völlig hemmungslos und infantil. Er be
geht die schlimmsten Vergehen, ohne sie irgendwie zu empfinden.
Man steckt ihn in ein Irrenhaus. Aber dort macht er sich zum
Narrenkönig und stellt die ganze Anstalt durch seine adhoc ge
schriebenen obszönen Komödien auf den Kopf. Der Irrenarzt