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Das Wort und das Bild.
Künstler, soweit sie Skeptiker sind, in den Strom der phantasti
schen Zeit; sie gehören dem Untergang, sind seine Emissäre
und Blutsverwandte, wie sehr sie sich gegensätzlich gebärden
mögen. Ihre Antithese ist eine Täuschung.
Der Künstler, ob er zwar norm- und kulturwidrig ist, braucht
nicht notwendig phantastisch zu sein. Das neue Gesetz, das er
vortäuscht, kann aus den Normen der Zukunft genommen sein,
und auch aus denen einer sehr fernen Vergangenheit.
Phantastisch aber ist auch die Intuition. Sie bildet sich aus
den fünf Sinnen, und wird dem Künstler immer nur transfor
mierte Erfahrungstatsachen, nicht aber Formelemente anbieten.
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Insofern die Ideen, die Moral, die Prinzipien in unserer Zeit
nur noch Namen sind; insofern die Akademie einem enormen
Nominalismus verfallen ist, ist sie die Nährmutter aller Phan
tastik. Nur weil sie sich davon nicht überzeugen will, weil sie
eine maßlose Heuchelei zur Schau trägt, kann man sich täu
schen: über die Tatsache nämlich, daß das Opfer des Intellekts
ihr gegenüber nicht angebracht ist. Die Akademie selber ist
phantastisch und irrational. Ihr Glaube an die ,objektive Wissen
schaft' ist der Grund aller Phantasmen. Die Zukunft wird also
wohl den Intellekt nicht opfern, sondern ihn dem phantastischen
Wissenschaftskult formierend entgegensetzen.
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Novalis über die Phantasie: ,Ich weiß, daß die Phantasie das
Unsittliche, das geistig Tierischste am liebsten mag. Indes weiß
ich auch, wie sehr alle Phantasie wie ein Traum ist, der die
Nacht, die Sinnlosigkeit und die Einsamkeit liebt. Der Traum
und die Phantasie sind das eigenste Eigentum, sie sind höchstens
für zwei, aber nicht für mehrere Menschen. Man darf sich nicht