Full text: Die Flucht aus der Zeit

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Das Wort und das Bild. 
Grundgedanke von der ,Unzulässigkeit eines Gewissenszwanges 
durch staatliche Gemeinwesen' ist indessen schon auf dem Reichs 
tag von Speyer zum Ausdruck gekommen. Man verwahrt sich 
dagegen, in Glaubensdingen durch Mehrheitsbeschlüsse gebunden 
zu sein. 
* 
Wer weiß noch, daß Gedanken töten, daß sie unglücklich 
machen, ja Verzweiflung bringen können? Und wenn man ein 
ander widersprechende Gedanken in sich trägt, daß sie dann 
zerreißen? Wer hat sich soviel Freiheit bewahrt, über das Morgen 
nicht entscheiden zu können, weil irgendein Gedanke, von Men 
schen ganz zu schweigen, den Weg kreuzen und alle Aspekte 
verändern kann? Die wenigsten Denker haben nach ihren Ein 
sichten zu leben versucht. 
* 
XI. ,Man kommt beim Deutschen', sagt Nietzsche, ,beinahe wie 
beim Weibe niemals auf den Grund, er hat keinen: das ist alles. 
Aber damit ist man noch nicht einmal flach'. 
Ich habe über dies Wort oft und lange nachgedacht. 
Des Rätsels Lösung scheint mir diese zu sein: daß natürliche, 
naturhafte Menschen und Nationen überhaupt kein Gesicht haben. 
Daß ihnen der Geist und die Form erst ein Gesicht verleihen, 
und daß in Deutschland dieses Gesicht mit dem Ablauf der Re 
formation mehr und mehr zur Maske wird. Nietzsche, der das 
natürliche Gesicht der Nation entdeckte, war notwendig ein großer 
Psychologe, und er konnte keinen Grund des Deutschtums finden, 
weil die Natur als solche eben keinen Grund hat. 
* 
An Schickele: ,Wenn Sie Bakunin herausgeben —: darf ich 
das machen? Ich glaube, niemand kann das so gut wie ich. Er 
beschäftigt mich seit Jahren. In Deutschland kennt man ihn
	        
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