6
Die Kulisse.
Auch Johannes V. Jensen („Die neue Welt“) rief damals laut
genug: ,Raum für die Massen! Wir leben im größten Jahrhundert
der Demokratie'. Lasset uns Hymnen singen auf diese Zeit (der
Maschine), die in jeder Beziehung zu bejahen ist. Versuchen wir,
ihr spezifisches Pathos zu entfesseln. — Technik gegen Mythus,
hieß hier die Losung, schroff und drohend. Als Wechselbegriff
bot sich dar: eine antikisch gesehene Wiedergeburt der Einzel
physis: Sport, Jagd, Bewegung. Der Zwiespalt zwischen Technik
und Mythus, zwischen Maschine und Religion, ist resolut zu be
seitigen zugunsten der patentierten Errungenschaften.
*
München, Sommer 1913. Es fehlt eine Rangordnung der indi
viduellen und der gesellschaftlichen Werte. Das Gesetzbuch des
Manu und die katholische Kirche wußten einmal um andere Stuf
ungen als diejenigen, die heute maßgebend sind. Wer weiß noch,
was gut und was böse ist? Die Nivellierung ist das Ende der Welt.
Vielleicht gibt es irgendwo eine kleine Insel im stillen Ozean,
die noch unberührt ist; wohin unsere Qual noch nicht drang.
Wielange noch, und auch dies ist vorbei.
*
Die moderne Nekrophilie. Der Glaube an die Materie ist ein
Glaube an den Tod. Der Triumph dieser Art Religion ist eine
entsetzliche Abirrung. Die Maschine verleiht der toten Materie
eine Art Scheinleben. Sie bewegt die Materie. Sie ist ein Ge
spenst. Sie verbindet Materien untereinander und zeigt dabei eine
gewisse Vernunft. Also ist sie der systematisch arbeitende Tod,
der das Leben vortäuscht. Sie lügt noch flagranter als jede
Zeitung, die von ihr gedruckt wird. Außerdem vernichtet sie in
ununterbrochen unterbewußter Einwirkung den menschlichen
Rythmus. Wer es an einer solchen Maschine ein Leben lang aus
hält, muß ein Heroe sein oder zerbrochen werden. Von solchen