Volltext: Die Flucht aus der Zeit

Das Wort und das Bild. 
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alles, was einzelne edelgeartete Menschen an Schönem und Gutem 
ersinnen, stets nur Romantik und Arabeske bleiben. 
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Die beispiellose Kindlichkeit und Zucht der neuen Kunst ver- 20. VI. 
dankt sich nicht bewußten, sondern visionären, zukünftigen Stil 
elementen. Es ist ein Bestreben da, den innersten Rahmen, das 
letzte Gefängnis der geistigen Person zu erfassen. Die Entwürfe 
rühren an jene prophetische Linie, die den Wahn begrenzt. 
Zwischen dieser Sphäre und der greisenhaften Gegenwart liegt 
eine ganze (soziale, politische, kulturelle und sentimentale) Welt, 
auf deren Vorstellungen der Künstler verzichtet. Der Kampf gegen 
die daher rührenden Phantasmen ist seine Askese. 
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Ein von der Felswand bröckelndes Steinchen genügt, um 
Ursprung von Legenden und Sagen zu werden. Der Hirtenjunge 
wird nicht das abbröckelnde Steinchen malen, sondern ein Mär 
chen erzählen. Ganz folgerichtig wird der moderne Künstler ver 
meiden, den Anstoß seiner ästhetischen Gebilde mit in das be 
zeugte Erlebnis einzubeziehen. Er wird nur die Schwingung, die 
Kurve, das Resultat mitteilen, den Anlaß aber verschweigen. Er 
wird nur seine innere Ruhe und Harmonie wieder herzustellen 
suchen, nicht aber den Erreger darstellen (das wäre Wissen 
schaft, keine Kunst). Es hängt dann von der inneren Konstitution 
ab, ob der künstlerisch Begabte gleich dem Irren nur sinnlose 
Gesichts- und Gehörshalluzinationen mitteilt; ob er bei starkem 
sozialem Empfinden Gebilde schafft, die ein beziehungsreiches 
Gesetz erfüllt; oder ob er wie der Heilige, der nur im Einklang 
lebt, den Einklang weiterbildet. Hirngespinste und Romantik 
können die Folge sein, aber auch klassische Werke und neue 
Glieder am mystischen Leib. Das aufnehmende Innere kann rein 
oder unrein, verworren oder klar, verrucht oder heilig sein. 
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