Volltext: Die Flucht aus der Zeit

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Das Wort und das Bild. 
es gelingen? Man müßte die Dinge viel weiter zurückdatieren. 
Wo bieten sich Anknüpfungspunkte, das deutsche Wesen in eine 
Form zu fassen, ihm einheitlichen Ausdruck und festen Umriß 
zu geben? Die Republik würde die Probleme beträchtlich redu 
zieren, ihre Erfassung erleichtern; denn rauher Befehl und Er 
gebenheit, Ausflucht und heimlicher Vorbehalt führten an den 
entscheidenden Punkten zu einem Stil, der kaum zu bekämpfen 
ist, weil er sich jeglicher Eindeutigkeit mit Schläue und ängst 
lichem Vorsatz entzieht. 
* 
11.VIII. In einem sehr engen Zusammenhang mit dem Problem der 
deutschen Tradition steht das der Romantik. Mir scheint mit 
unter, das Wort bezieht sich auf das heilige römische Reich, 
das zu einem romantischen Reich gestempelt wurde durch die 
in Deutschland maßgebend gewordene Reformation. Die Herzen 
waren damit entwurzelt, ihre Sehnsucht aber nach dem verlorenen 
Boden war geblieben. Die Bab’sche Definition der Romantik 
(katholisierende Kultsehnsüchte, denen der Boden entzogen 
ist) bestärkt mich darin. Man könnte sich demnach entscheiden, 
entweder die Romantik zu opfern, indem man (wie Goethe, 
Hegel und Nietzsche) ein resolutes Antichristentum befürwortet 
und den katholischen Ordo als ein bedeutungsloses Überbleibsel 
im Umkreise der modernen Bildung betrachtet. Man könnte aber 
auch schließen, daß die Reformation ihren Ursprung dem Nach 
lassen des kirchlichen Zuchtideals verdankt und daß eine neue 
universale Anspannung dieses Ideals mit der Entkräftung der 
reformatorischen Autorität die romantischen Sehnsüchte erlöst. 
Gewänne der Katholizismus in Europa seine maßgebende Be 
deutung zurück, so würde die Isolation der romantischen Geister 
fallen; sie würden auf kirchlichem Boden allen den inneren Raum 
wieder finden, den sie im modernen Leben vermissen und der 
sie zu den grotesken Luftsprüngen führt, die jedermann kennt
	        
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