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Von Gottes- und Menschenrechten.
sein. ,In Hinsicht ,auf Gott/ meint er, ,kann der Begriff der
Zahl keinen Sinn haben, weshalb man nicht sagen kann, daß es
nur einen Gott gibt'.
Wenn ich ihn recht verstehe, ist dieses sein Leiden, daß er
zwar nicht Gott, aber den Künstler als den Schöpfer betrachtet,
und zwar jeden einzelnen als einen besonderen Schöpfer. Das
ergibt einen Polytheismus. Da er die Persönlichkeit als Begren
zung verwirft und als eine Verführung zum Egoismus empfindet,
liegt ihm daran, die Persönlichkeit des Schöpfers und den
Schöpfer selbst zu bestreiten. Die Schönheit verführt ihn, Schöpfer
und Egoist zu sein; also wird sie als feindselig empfunden.
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Mir scheint übrigens: auch das Denken kann eine Kunst und
den Kunstgesetzen untergeordnet sein: falls man seine Aufmerk
samkeit dahin lenkt, gewisse Gedanken und Gedankenreihen aus
zuscheiden; Grenzen zu ziehen; nur gewissen Wahrnehmungen
Raum und Stoff zu geben, andere aber zu vermeiden. Gott wird
nicht anders die Welt erschaffen haben. Er ist der Artifex in
fcerson; die Künstler machens ihm nur nach. Es ist wie in den
anderen Künsten so auch im Denken ausschlaggebend, was man
weggelassen und nicht genannt, auf welche Weise man sich ab
gegrenzt hat. Nur so tritt die Eigentümlichkeit hervor.
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IX. In den „Weißen Blättern“ ein Aufsatz „Das Erlebnis der Zeit
und die Willensfreiheit“. Der Aufsatz handelt von Bergson. Mit
dessen Begriff der ,intuition creatrice' kann ich gar nichts mehr
anfangen. Die Intuition als schöpferisches Prinzip: das scheint
mir eine unmögliche Position. Ich kann die Intuition nur als
ein Wahrnehmungsvermögen verstehen. Sie kann nach oben oder
nach unten, auf die Natur oder auf den Geist gerichtet sein.