Von Gottes- und Menschenrechten.
205
Man hat ein Land keineswegs erobert, wenn man seine Ge
danken und seine Herzen nicht erobert hat.
*
Die bourgeoisen, die Krämerfreiheiten; die vermeintlichen, gott- 6.
losen, verflachenden Freiheiten. Man vergißt dabei nur, daß man
nicht einmal diese hat und daß der ,humanitäre Liberalismus
der westlichen Demokratien' (Amerika und Frankreich) vom
schwärmerischen Humanismus der Herder, Humboldt und Fichte
sehr wesentlich abweicht. Ich habe in diesen Tagen die „Decla
ration des droits de Phomme“ von 1789 mit den deutschen
„Grundrechten“ von 1848 verglichen. Der Unterschied ist ekla
tant.
1. Die Declaration enthält eine Philosophie (des Menschen und
des Staates), die Grundrechte enthalten nichts dergleichen.
2. Die Menschenrechte statuieren in einem universalen Sinne
die Souveränität des Volkes über den Staat und teilen dem Staate
nur das negative Recht zu, über solche Verfassung zu wachen.
Die Grundrechte dagegen enthalten keinerlei prinzipielle Be
stimmung über die Grenzen des Staates oder gar über die Ab
hängigkeit des Staates von der Nation.
3. Die französische Konstituante statuiert gewisse unver
äußerliche Rechte des einzelnen (Sicherheit, Eigentum, Gleichheit
vor dem Gesetz, sowie das Recht des Widerstandes gegen
die Unterdrückung all dieser Gesetze). Die Verfassung ist von der
Gesamtheit und jedem einzelnen garantiert. Sie kennt nur Men
schen (implizite also auch das Proletariat) und wendet sich an
Menschen. Die Grundrechte dagegen sprechen nur von Rechten
des Bürgers und Untertanen, nicht des Menschen. Wie sie die
Souveränität des Volkes nicht statuieren, so kennen sie auch kein
Recht der Erhebung gegen Übergriffe und ehrlose oder gefährliche
Handlungen der Regierung.