Volltext: Die Flucht aus der Zeit

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Von Gottes- und Menschenrechten. 
Desinteressement an den weltlichen Dingen, bei gleichzeitiger 
Zunahme der weltlichen Macht. Es ist zu befürchten, daß das 
Evangelium zur Romantik wird ohne die Einbeziehung des Ge 
setzes. Und in der Tat haben die protestantischen Regenten das 
Evangelium sehr bald nicht anders aufgefaßt; nicht aber nur 
das Evangelium, sondern das ganze philosophische Denken der 
Nation. Die ,intelligible Freiheit' oder die Zustimmung zum 
Gesetz aus moralischer Einsicht, hat sich als ein höchst fragwür 
diges Korrektiv erwiesen. ,Gesetz' ist unter Kant der preußische 
Despotenstaat. Die freiwillige Zustimmung zu diesem Gesetz kann 
verwerflich sein. Und man sieht ja in der preußisch (-deutschen) 
Entwicklung, wohin das Prinzip der nur ,intelligiblen' Freiheit 
führte. Erst stimmte man dem Gesetze, dann der Gewalt, dann 
dem Unrecht, zuletzt dem Teufel selber zu. Immer mit dem 
Vorbehalt, daß diese Zustimmung freiwillig geschehe und die 
eigentliche, private Moral nicht berühre. 
* 
IV. Luther, Böhme, Kant, Hegel, Nietzsche waren gleicherweise, 
wenn auch in sehr verschiedener Ausprägung, von der Unfrei 
heit des menschlichen Willens überzeugt. Die Bindung an die 
Natur, die deutsche Naturverliebtheit ist der tiefste Grund davon. 
Sie glauben nicht, daß man sich dem Zwange der Natur ent 
ziehen, daß man diesem Zwange entgehen könne. Selbst Schopen 
hauer, der in vielen Stücken eine Ausnahme bildet, hält es für 
äußerst schwierig, den Trieben zu entgehen. Der Verzicht auf 
das Prinzip der Askese hat die Tatsache der Willensunfreiheit im 
Gefolge. Nur der Heilige überwindet den Trieb, und nur er ist 
der sichtbare Beweis für die Freiheit. Die Reformation hat mit 
der Askese die Voraussetzung aller mittelalterlichen Größe und 
Menschlichkeit verworfen. Alle Denker, die von der Willensun 
freiheit überzeugt sind, verwerfen die Askese als ein Phantasma.
	        
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