Volltext: Die Flucht aus der Zeit

Von Gottes- und Menschenrechten. 
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Goethe. 
Nennt Spinoza ,theissimus und christianissimus'. 1813, Fr. H. 
Jacobi gegenüber bekennt er: ,Ich für mich kann bei den mannig 
fachen Richtungen meines Wesens nicht an einer Denkweise ge 
nug haben. Als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pan 
theist als Naturforscher, und eines so entschieden als das andere/ 
In Spinoza verehrt er eine ,uneigennützige' Frömmigkeit, in 
Giordano Brunos Schriften die Gott-Natur (oder wenn man’s um 
kehrt, einen Natur-Gott). Gegen das Christentum nährt er einen 
Julianischen Haß' (und man hat kaum noch eingehend unter 
sucht, wieweit er diesen Haß durch sein Wirken betätigt hat). 
Mephisto ist der Zusammenschluß der ganzen europäischen 
Teufelsliteratur, soweit sie lebendig ist, und überboten durch 
Lebendigkeit. Im „Faust“ überwiegen die Dämonismen (Gret- 
chen und Faust-Mephisto: was für ein grausamer Gegensatz. 
Die beiden Dämonen spielen mit dem armen Ding wie die großen 
Katzen mit der Maus). Dabei soll Faust eine ,Theodicee' sein: 
das Übel, das Böse hat in der Welt seinen Zweck; also ist eine 
Bekämpfung, eine Indignation nicht am Platze. 
Die Mehrzahl der Helden des jungen Goethe sind mensch 
liche Titanen: Cäsar, Sokrates, Prometheus, Mahomet, Christus. 
,Nemo contra deum, nisi deus ipse' schreibt er als Motto über 
den 2. Teil von „Wahrheit und Dichtung“. Die Religion ist ein 
menschliches Anliegen, nicht ein Anliegen Gottes. Frömmigkeit ist 
nicht Zweck, sondern nur ein Kulturmittel. Nur der Vollbesitz 
aller produktiver Geistestätigkeit (dies ein Goethe’scher Haupt 
satz) setzt mit der Gottheit in Verbindung. Was einer zu sein ver 
mag, das darf, ja soll er sein. Natur und Menschengeist sind glei 
cherweise Abglanz des Urlichtes (der Geist also nur ein Natur 
phänomen, oder die Natur ein geistiges Prinzip). Im Herren- 
hutertum lernte Goethe das Urchristentum schätzen (wohl der
	        
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