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Von Gottes- und Menschenrechten.
18. XI. Ich sehe meine während des letzten Tessiner Aufenthaltes ge
machten Notizen durch. Sie enthalten nichts mehr von Politik;
im Gegenteil: sie enthalten ein Fortstreben davon. An Büchern
hatte ich nur die „Geschichte der christlichen Philosophie des
Mittelalters“ von Baumker und Leon Bloys „Quatre ans de Cap-
tivite“ mitgenommen. Der letztere Titel erinnert mich an vier
Jahre Aufenthalt in der Schweiz.
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Dandy und Kirche. Die Argumentation ist folgende: ein Ekkle-
siast, der nicht besser schreibt als wir, kann er uns Gegenstand
der Verehrung und Autorität sein? Besser schreiben: das hieße
zuchtvoller schreiben, mit mehr Gewissen für Zeit und Ewigkeit;
und nicht etwa die Zucht nur als äußere Auflegung verstanden,
sondern im unmittelbaren, persönlichen, identischen Sinne des
Wortes (Logos), dessen Priester und Verkünder der Theologe,
der Kirchenmann doch sein soll. Es dünkt den Dandy eine allzu
simplistische und im Erfolg nur dekorative Disziplin: etwa auf
einer äußeren Korrektheit und Tugend zu bestehen, jene andere
aber, der seelischen Einheit und sprachlichen Reinheit außer acht
zu lassen.
Was hier zugrunde liegt, ist mehr als eine Querele. Die großen
Dichter und Sprachkünstler sind nicht mehr innerhalb der Kirche
zu finden; sie stehen außerhalb, und das kann nicht nur eine
Folge ihrer Bosheit sein. Sie haben, wo sie mit den Ekkle-
siasten konkurrieren, mehr Sinn und Gewissen für das Wort in
seiner ursprünglichen Bedeutung als jene, die es ex officio haben
sollten, und die das absolute Wort verkünden. Wie kann man
aber, so frägt der Dandy, zum ewigen Wort einen lebendigen
Zugang haben, wenn man das zeitliche und relative Wort bru
talisiert? Das ist der tiefste Einwand des zeitgenössischen Ästhe
tizismus gegen den Priester und gegen die Kirche.
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