Das Wort und das Bild.
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zen Havelock und streift, wenn er zwischen den Tischen durch
geht, mit seiner umfangreichen Mantille die Weingläser von den
Tischen.
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Die Maudits und Decadents leben, diejenigen aber, die ihnen 5. IV.
den Himmel streitig machten, sind verschwunden. Wie ist das
möglich? Sie müssen gesünder gewesen sein und weniger ver
rucht, als es den Anschein hatte. Sind aber Tod und Teufel nicht
identisch? Und wer sterben kann, hat er denn gelebt; blieb
er nicht von Anfang an in der Materie stecken? Alle Hierarchie,
ja vielleicht alle Ordnung auf Erden hängen von der Dauer und
ihren Qradstufen ab. Was überholt und überboten werden kann,
ist schon gerichtet.
Mit H. läßt sich gut debattieren, obgleich oder weil er im
Grunde gar nicht hinhört. Er weiß zuviel, aus Instinkt, als daß
er auf Worte und Gedanken etwas gäbe. Wir diskutieren ,die
Kunsttheorien der letzten Jahrzehnte und zwar immer in einem
Sinn, der das fragwürdige Wesen der Kunst selber, ihre voll
kommene Anarchie, ihre Zusammenhänge mit Publikum, Rasse
und momentaner Bildung betrifft. Man kann wohl sagen, daß
uns die Kunst nicht Selbstzweck ist — dazu bedürfte es einer
mehr ungebrochenen Naivität —, aber sie ist uns eine Gelegen
heit zur Zeitkritik und zum wahrhaften Zeitempfinden, Dinge, die
doch Voraussetzung eines belangvollen, eines typischen Stiles sind.
Dieser letztere erscheint uns keineswegs als eine so einfache
Sache, wie man gemeinhin zu glauben geneigt ist. Was besagt
ein schönes harmonisches Gedicht, wenn es niemand liest, weil
es im Zeitempfinden gar keine Resonnanz finden kann? Und
was besagt ein Roman, der von Bildungs wegen zwar gelesen
wird, der aber weit davon entfernt ist, die Bildung auch zu be
wegen? So sind unsere Debatten ein brennendes, täglich flagran-