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Dada wurde unter den Händen von Menschen, die keine
Dadaisten waren, zu einer ungeheueren Sensation für
Europa; es rührte die Seele des wahren Europäers an,
der zwischen den Kolben und Dampfkesseln der Maschinen
zu Hause ist, der kaum von der Daily News aufsieht,
wenn man ihn am Bahnhof Charing Croß trifft, den man
im eleganten Reisehabit auf den Hecks der Dampfer der
Red Star Line zu sehen bekommt, die Shagpfeife nach
lässig zwischen den Goldplomben. ■— Dada verstand es,
die großen Rotationsmaschinen in Bewegung zu setzen,
man sprach von ihm in der Ecole de France und in den
Büchern der Psychoanalytiker; in Madrid suchte man es
zu verstehen, in Chile raufte man sich seinetwegen die
Haare, selbst in Chicago, jenseits von Durhams Schüler
frühstück und der durch Frank Norris berühmt gewordenen
Getreidebörse, erschien für einen Moment wie auf einem
großen gespenstischen Transparent das Wort Dada. Es
hat in den letzten Jahrzehnten in Europa kein Wort,
keinen Begriff, keine Philosophie, kein Schlagwort einer
Partei oder einer Sekte gegeben, von denen man sagen
könnte, das sie mit so katastrophaler Gewalt in das Vor
stellungsvermögen einer zivilisierten Gesellschaft ein
gebrochen sind. Man vergesse nicht die tiefe psychologische
Bedeutung dieser Tatsache, ln den Gehirnen aller dieser
Menschen vor den Cafes, in den Theatern, auf den
Rennplätzen und in den Bordells, die sich für den Dada
ismus interessierten, indem sie ihn als „eine lächerliche
Ausgeburt modernsten Kunstwahnsinns“ beschimpften,
wirkte Dada längst nicht mehr als Kunstrichtung. Man
wäre wert Professor der Philosophie auf einem Berliner
Universitätkatheter zu werden, wenn man nicht einsehen
wollte, daß neunundneunzig vom Hundert der Menschen
zur Kunst, sobald sie in Problemen der Richtung, der
einzelnen Techniken und der Perspektive auftritt nur das
berühmte Verhältnis von der Kuh zum Ostersonntag
haben. Daß Dada, welches auf sie eine Wirkung, und
sei sie die imponderabilste, ausübte, mit Kunst etwas zu