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bezeichnen. Die Deutschen sind Meister der Verstellung,
sie sind die ausgemachten Illusionisten (im Variete-Sinn)
unter den Völkern, sie zaubern sich in jedem Augenblick
ihres Lebens eine Kultur, einen Geist, eine Erhabenheit,
die sie als Schutzschild vor ihre gefährdeten Bäuche halten
können. Das ist das, was den Franzosen immer ganz
fremd und unverständlich, und als ein Zeichen diabolischer
Bosheit erschienen ist (die Hypokrisie). Der Deutsche
erscheint unnaiv, er ist zwiefach und hat einen doppelten
Boden.
Es handelt sich hier nicht darum, für irgendeine Nation
einzutreten. Die Franzosen haben am letzten das Recht,
vor anderen Völkern als grande nation gepriesen zu werden,
da sie den Chauvinismus der Zeit auf die Spitze aller
Möglichkeiten gebracht haben. Der Deutsche hat alle
Vorzüge und Nachteile des Idealisten. Man kann so oder
so. Man kann den Idealismus, der die Dinge verzerrt
und sie zu Funktionen (Kadavergehorsam!) eines Ab-
solutums macht, heiße dies nun Pflanzenkost, Menschen
recht oder Monarchie als eine Deformation und Pathologie
auffassen, man kann ihn auch als „die Brücke zur Ewigkeit"
und „das Ziel des Lebens" und was dergleichen Banalitäten
mehr sind ekstatisch preisen. Das haben die Expressio
nisten hinreichend getan. Der Dadaist ist aus Instinkt
dagegen. Er ist ein Wirklichkeitsmensch, der den Wein,
die Weiber und die Reklame liebt, seine Kultur ist vor
allem eine Körperkultur. Er sieht instinktmäßig
seinen Beruf darin, den Deutschen ihre Kultur
ideologie zusammenzuschlagen. Es handelt sich
ja hier gar nicht darum, den Dadaisten zu rechtfertigen.
Er handelt instinktiv, genau wie einer sagt, er sei
Räuber aus „Passion" oder Briefmarkensammler aus Vor
liebe. Das „Ideal" hat sich gedreht: aus dem abstrakten
Künstler ist (wenn Du so willst lieber Leser) ein böser
Materialist geworden, der die abstruse Charaktereigen
schaft hat, die Pflege seines Bauches und den Flandel
mit Effekten für ehrlicher als Philosophie zu halten.