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und Ehrgeize der Mitarbeiter des Kabarett Voltaire in Zürich
waren von Anfang an rein künstlerische. Wir wollten
das Cabaret Voltaire zu einem Brennpunkt„jüngsterKunst“
machen, obwohl wir uns nicht scheuten, auch hin und
wieder den feisten und vollkommen verständnislosen
Züricher Spießbürgern zu sagen, daß wir sie für Schweine
und den deutschen Kaiser für den Initiator des Krieges
hielten. Das gab dann jedesmal großen Lärm und die
Studenten, die auch in der Schweiz das dümmste und
reaktionärste Gesindel sind, wenn dort überhaupt wegen
der obligatorischenNationalverblödung irgendeineGruppe
von Menschen den Superlativ der Verblödung und Dumm
heit für sich in Anspruch nehmen kann — die Studenten
gaben an Grobheit und Wut eine Ahnung von dem Wider
stand des Publikums, mit dem Dada später seinen Sieges
lauf durch die Welt gemacht hat. Das Wort Dada wurde
von Hugo Ball und mir zufällig in einem deutsch -fran
zösischen Diktionär entdeckt, als wir einen Namen für Ma
dame le Roy, die Sängerin unseres Cabarets, suchten. Dada
bedeutet im Französischen Holzpferdchen. Es imponiert
durch seine Kürze und seine Suggestivität. Dada wurde
nach kurzer Zeit das Aushängeschild für alles, was wir
im Cabaret Voltaire an Kunst lancierten. Unter „jüngster
Kunst“ verstanden wir damals im großen und ganzen:
abstrakte Kunst. Die Idee des Wortes Dada hat sich
dann späterhin in mancherlei Weise geändert. Während
die Dadaisten der Ententeländer unter der Führung von
Tristan Tzara, unter Dadaismus heute noch nicht viel
anderes verstehen als „hart abstrait“, hat Dada in Deutsch
land, in dem die psychologischen Voraussetzungen für
eine Tätigkeit in unserem Sinne ganz andere sind als
in der Schweiz, in Frankreich und in Italien, einen
ganz bestimmten politischen Charakter angenommen,
den wir unten ausführlich auseinandersetzen wollen.
Die Mitarbeiter des Cabaret Voltaire waren alle
Künstler in dem Sinne, daß sie die letzten Entwicklungen
der artistischen Möglichkeiten in ihren Fingerspitzen