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schuh. Plötzlich verlor sie einen Absatz. Aber was
bedeutet das gegenüber der Ewigkeit? Und in der
fünften Etage Hinterhaus zweite Tür sagte man
ihr, sie sollte es doch in Nummer 5 versuchen, dieses
wäre 5a. Erl. Dr. Auguste war ein gescheites Mäd
chen, schon in der Schule gewesen. Sie wußte, daß
der Mensch durch Hebung geschickt wird, und daß
sie die junge Dame umso schneller finden würde,
je'länger sie suchen müßte. Das macht eben die
Hebung. Plötzlich findet man, wenn man noch zu
suchen glaubt. Das macht eben die Uebung. Aber
Auguste wollte dieses Mal sicher gehen, daß sie
nicht wieder die Hausnummer verwechselte. Da
her redete sie einen Herrn auf der Straße an und
bat ihn, ihr die Nummer 5 zu zeigen. Frl. Dr. Au-
ste wußte, schon wieder dieser unheimliche Reim,
daß sie, indem sie Frl. Dr. war, eine Persönlichkeit
darstellte, und daß ihrer Autorität jeder willig sich
beugte. Jeder mußte es ihr sagen, wo und wann
Nummer ö wäre. Sie war eine Persönlichkeit,
genau wie die ganz großen Persönlichkeiten großer
Zeiten. Dabei war es gänzlich gleichgültig, daß sie
nur im Unterrock dastand *, denn die Kleidung
macht die Persönlichkeit nicht, so was hat man in
sich. Schade, daß sie ihren Hacken verloren hatte.
Der Herr aber hieß Mayer. Mayer war Weltmann.
Mayer machte eine elegante Verbeugung und
nannte Frl. Dr. Auguste: „Gnädige Frau“. Dann
erkundigte er sich teilnehmend, ob sie ihren Klem
mer verloren hätte, indem er es taktvoll vermied,
den niedrigen Absatz zu bemerken. Mayer zeigte
ihr dann Nummer 5. Frl. Dr. Auguste fragte noch
einmal nach, ob es auch ganz bestimmt Nr. 5 wäre.
Jawohl, es wäre ganz gewiß Nr. 5. Und mit einer
* etwa wie die Kunstkritik.