v^lemens. Ich komme zu Dir. Ich suche. Sage mir nur das Eine: Glaubst
Du, daß Kriege sein müssen?
Gottfried. Glaubst Du, daß Christus am Kreuz sterben mußte? oder
denkst Du, daß es auch anders hätte kommen können?
Clemens, willst Du den Krieg so furchtbar verewigen? willst Du mit
dieser Notwendigkeit das Rätsel des Krieges lösen?
Gottfried. Die Lösung gibt der Mystiker, der Gott das Plicht-Andere
nannte. Er hat damit uns bezeichnet als das ewig Andere, das einander
Fremde, in seinem Dasein Zerfallene. Unser Fleisch ist Haß; darum muß die
Liebe, in der wir eins sind, immer wieder am Kreuz sterben.
Clemens, Nun aber geschieht doch das wunderbare: aus eben dem Haß,
der heute die Menschen entzweit, loht um so gewaltiger die Liebe empor. Es
ist, als sei Gott selber aus diesem Hasse, der ihn töten mußte, auferstanden:
noch menschlich zwar, noch nicht ganz zu sich selbst verwandelt, noch nicht ganz
verklärt und darum noch der sehnenden Berührung letzten Ergreifens sich ent
ziehend, aber doch die auferstandene Liebe selbst. Ungeheures ist wahr geworden:
des Menschen Bild ist vor uns gewachsen; schlicht und stark wie zum Fest,
schreitet er zum Opfer. Kann er sich denn in Liebe dem Hasse opfern?
Gottfried. Er muß sich opfern, weil das Leben nicht Raum hat für die
Liebe, wo immer Liebe in unserm Leben erscheint, muß sie die Form des
Opfers tragen.
Clemens, wem aber gilt dies Opfer? Christus starb der Menschheit;
sie sterben den Nationen. Und was sind die Nationen? Sind sie nicht selbst
die großen (Quellen des Hasses?
Gottfried. Sie sind Namen.
Clemens. Namen? Und so wären all' die unerhörten Opfer, all' die
Ströme kostbaren Blutes bloßen Namen gebracht?
Gottfried. Der Name kann nichts fein und alles. Er ist ein anvertrautes
Gut; er ist eine Forderung an den, der ihn trägt, ihn zu dem zu machen, was
er fein kann.
Clemens. Der Name Deutschland. — Und doch: ist es nicht Willkür,
welchen Namen ich ehre? Sind die Nationen für den Einzelnen mehr als der
bloße Zufall der Geburt, des Dorr oder Hier?
Gottfried. Der Name Deutschland. Du fühlst es selbst, und ich höre,
daß Du cs fühlst, daß er Dir heute mehr ist als bloßer Zufall der Geburt.
Clemens. Aber ich verstehe mich selbst nicht. Ich durchschaue, wie ich es
immer tat, das Vorläufige, das Zufällige der Nationen — und doch bin ich
Deutscher, wie ich es nie zuvor gewesen bin. Ich erschrak, als Du die Nationen
Namen nanntest. Deutschland — das ist mir unendlich mehr als ein Name.
Als Namen kann ich es heute nicht mehr begreifen. Sage mir, was sind die
Nationen in Wahrheit? was sind sie uns jetzt?