Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

^/ch denke zurück an die paradiesischen Tage dieses Sommers vor Ausbruch 
des Krieges, da keiner noch an ihn glaubte... Nie zuvor, erinnert ihr euch, 
hing der Sommerhimmel so beschwichtigend und waren unsere Wälder so in 
sich versunken. Nie sah man die Schwalben so beseligt um die Kirchtürme 
streichen und unsere Wege und Brücken so versonnen stehen. Und nie standen 
auch — erinnert ihr euch? so viel schmucke Häuser fertig — Bilder unseres 
Glückes — und kletterten blumengeschmückt alle Hügel hinauf. Und über sie 
alle hin, erinnert ihr euch, die Mondessichel, die wie in Verzückung schwebte? 
Die Ersten, welche da von der Gefahr dieses Krieges redeten, verhöhnte 
man ... Aber dann trieb uns eine plötzliche Angst in unsere schon verwandelten 
Städte zurück. Und dort wuchs schon wie ein ungeheures Präludium jene 
Unruhe an, die uns alle ins Freie stieß, wie jene Toten, von denen steht, daß 
es sie aus ihren Gräbern hervortrieb, in den Straßen Jerusalems zu wandeln, 
als der Vorhang des Tempels zerriß. Denn also schwebte wieder ein Kreuz 
über unseren Häuptern und wie jene Toten litt es uns nicht in der Enge unserer 
Behausungen. Und junge Frauen, die sich aus der stummkreisenden Menge 
schlichen, wähnend, daß sich in der Verborgenheit der eiserne Ring um ihre 
Herzen in Tränenströmen lösen würde, traten alsbald steifen Auges wieder vor 
ihre Tür. Und wie sich dann mit dem Verhängnis die Spannung wie ein Nebel 
hob, und jene totgeweihten Heldenmienen offenbarten, über Nacht zu Antiken 
gemeißelt! so daß alle Fremden, die noch auf unserem Territorium weilten, uns 
hingerissen ihre Liebe schwuren, bevor sie flohen. Sie erinnern sich wohl, welche 
Gesänge brachen sich da Bahn! welche Musik! welche Bereitheit! 
Den Zurückgebliebenen aber faßen schon die Augen im Kopfe, mit denen 
der Gefangene durch sein vergittertes Fenster zu dem kleinen Streifen des 
unendlichen Himmels emporsieht, wer aber da wieder hinaustrat in die XXatuz, 
wem es etwa beiflel, sich auf den Gipfel eines Berges vor der betörten Mensch 
heit zu flüchten, mir ihrem Haß zerfallen und weil er untüchtig ist zu begreifen, 
daß zur Ergänzung, ja, wie Liebende zur Ergänzung geschaffene Nationen sich 
hinschlachten sollen; wie ein neuer philoctet stünde der vor den verklärten Höhen 
und den friedlichen Herdenglocken, seiner (Qual immer neu überwiesen, wie 
philoctet mit der schwärenden Fußwunde jede Betrachtung, die er faßt, was 
immer er sagt oder vernimmt, mit seinem Schmerzensgeheul unterbricht, so wird 
ihm jeder Gedanke zerrissen, jeder Schlag seines Herzens durch das Bewußtsein 
dieses grauenhaften Krieges zerhämmert. 
Annerre Rold.
	        
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