Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

■H^te war es vor dem Rrieg? Das Geschrei um die Runst ach wie viel größer 
als die Runst! 
Man sagt, die Runst sei ein Spiegel der Zeit. So war es denn in jener Zeit 
nicht anders: ach, wie viel größer das Geschrei um Religion, Sozialität, Wissen 
schaft und Einkehr aller Orten, als Religion, Sozialität, Wissenschaft und Einkehr! 
Merkzeichen der Zeit: der Markt. Die Marktfahne. Die Marktfanfare: 
Je kleiner die Erfindung, desto überwältigender der Bedarfsartikel. 
Die Rünstler führen, wie alle Führer. Also müssen sie voraus sein. Aber 
voraus ist auch immer die Mode. 
wie Landpomeranzen hinter den letzten pariser Dessins, so bleibt der gebil 
dete Bürger hinter den neuesten, allerneuesten Runstmoden zurück. 
So schuf sich der Bürger, wie immer die Schwerfälligen, Trachten. Trachten 
sind veraltete und erstarrte Moden. 
Der gebildete deutsche Bürger, indem er die Rleidertrachten auf dem Lande 
ausrotten half, trug Schiller, oder Goethe, oder Heine. I" weniger stillen 
Tälern auch wohl Hebbel, oder Ibsen, oder George. 
Rein Wunder, daß dies die Mode ärgerte und die Schneider. Umsatz! Um 
satz! riefen sie. 
Und die Werktätigen sprangen bei. LLzanne und Claudel, Rilke und Randinsky 
kann Herr Runze nicht tragen. So wenig, wie Frau Lehmann das Neueste 
von pÄret: sie müßte sich ja schämen. Also, Mischung aus Mode und Boden 
ständigkeit: Heimatkunst. Deutsche Ware. Ware! 
Ware! Ware aber muß es sein. Und Raufhäuser dafür. Die Rünstler sind 
Schneider geworden. Die Rritiker sind Reisende für ihre Häuser geworden. 
Dieser empfiehlt seinen Buxkin, jener seinen Cheviot. Englisch, französisch, oder 
deutsch: Ein Musterbuch. 
Verwechselung: Auch der Handlungsgehülfe begeistert sich für das, was er fübrt. 
Die Rünstlerbegeisterung ach wie oft die Begeisterung hinter dem Ladentisch! 
Selbstverständlich lächelten die Fixen, die Europäer, die Zukünftler über die 
Heimatkunsttischler. Lächelten? Raum. 
Und die Heimatkunst? Die Deutschkunst auf Bestellung roch nach Leim und 
Fabrik. Nkrch Margarine, nach guter Stube, kurz, nach Massenverschleiß. 
Roch schlecht. Riecht schlecht.
	        
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