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über dem Leipziger Play hängenden Zeppelinkreuzers. Der folgende Tag wirft
ihn nach Leipzig in schwärmender Geschäftigkeit, der kommende nach Weimar.
In der Eisenbahn dann überstreicht er mit einem nachdenklichen Blick den über
mäßigen Anprall in so kurze Frist gespannter Erinnerungen, während sich
unter seinem willen die Erlebnisse mählich zu ordnen beginnen und langsam
anfangen wie beladene Äcker vor ihm herzuschwanken, wirft sich über all den
Frieden wie ein Faustschlag riesige Masse, und stemmt sich gegen den Rnäuel
zersplitternder Erlebnisse und Dinge die brutale Brust des Wormser Doms.
Er fühlt wie das Bild ihn ergreift, in sich zieht und wie seine ganze Empfindungs
möglichkeit sich über die verdrängten Reste der Erlebnisse der letzten Tage nach
diesem aufgetauchten Phantom hin stürmisch und fieberhaft bewegt. Als der
Wanderer aber auf der alten Mainbeücke in Frankfurt stand, mit noch nicht
wieder völlig geglättetem Seelenspiegel, aber doch im Begriff dahin zu kommen,
und dort lange stehend die Süßigkeit des Mövenabends genoß, wußte er kaum
mehr etwas von diesem brutalen Ereignis, suchte nur wieder Gleichgewicht
zu erhalten und genoß unbekümmert reine Gegenwart und ahnte dunkel allein,
daß ihn vielleicht heute, vielleicht in einer Woche das wie ein Amokläufer er
scheinende Bild des Wormser Domes wohl wieder aus Leben, Traum, Beginn
und Rausch herauszerren werde.
So, Freunde, ist uns der Rrieg mit den Monaten geworden, denen es
bestimmt ist, im Lande zu sein. So ist uns der Rrieg ein fabelhaftes Erlebnis
geworden, das irgendwo ungeheuer an den Grenzen des Reiches brennt, uns
aber schwingt das gleichbleibende Leben wie jeden Organismus in seinen weiter
laufenden Rhythmus hinein, wir werden zwischen Erleben und Lebenmüssen
wie von rasenden Pferden auseinandergerissen. Raum haben wir uns dem
anonymen Leben in Arbeit und Geist hingegeben, schnellt sich der schneidende
Tubaton des Geschehens draußen grell gegen uns, wir strecken alle Nerven nach
ihm, bäumen uns im wütendsten Erleben, dann verklingt er, wir bleiben restlos
allein und beginnen von neuem den Rreuzgang des allgemeinen Tuns. Aber eh
wir wieder Wurzel faßten, hebt uns ein rasendes Ereignis wieder über und
aus uns selbst heraus. Dies alles liegt sehr entfernt von den furchtbaren Fragen
dieses Rrieges und gerade soweit vom Enthusiastischen wie vom pazifistischen,
es soll keine Meinung sein und bedeutet weder Schilderung noch Erledigung.
Es weist über oder mehr noch unter allen Problemen auf einen Zustand und
eine Erscheinung, die zwischen ihnen allen hinschwankt. Ja, so schwanken wir
alle, zwiespältig und ohne Beendigung hin und hergerissen im Uferlosen, denen
der Geist täglich geteilt ist. Es ist wahr, es mag ein geringer Schmerz sein
und eine kleine Grausamkeit, zieht man das Unendliche jener vermiedenen Fragen
heran zum Maßstab. Es mag ein geringer Schmerz sein, aber er reißt uns
an allen Höllen — und sei es nur an ihren Peripherien — gnadenlos vorbei.
Doch es heißt mutig zu sein und ein unerschütterliches Herz zu haben.
Rafimir Edschmid