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haben, mit einer Intensität, wie bei keinem der anderen. Indem Hettncr auf
die Wiedergabe des nur Äußeren verzichtet, gelangt er zu einem kraftvoll geballten
Ausdruck des Gefühls, das die ganze Zeit erfüllt. Diesen Rünstlcr, der zwischen
Instinkt und Erkenntnis seinen weg suchte, riß die große woge des Zeitgefühls
mit, gab ihm Visionen von allgemeiner Gültigkeit und bestätigte damit zugleich
ihn und uns alle. Man erkennt vor feinen und ein paar verwandten Blättern
auf einmal die Notwendigkeit, den vertieften Sinn dessen, was ein Schlag
wort Expressionismus genannt hat und sieht halb mit Staunen, halb mit
Freude, wie dieser Rrieg und das, was er in uns mit sich gebracht hat, nicht
ein 2luslöschen und Regieren, sondern eine große Bejahung des besten wollens
ist, das in der neuen Generation lebte und nach Gestaltung rang.
was war doch das Merkmal dieser glühenden Sommertagc, die für uns,
die wir zum Zuschauen verurteilt sind, das Stärkste brachten, was der Rrieg
uns bisher gegegeben hat? Es war die elementare Gcfühlswoge, das Eingehen
des Einzelnen in das Ganze, indem ein jeder sich auf die allen gemeinsamen,
d. h. auf die Gefühlsschichten seiner Seele besann, Teil eines auflodernden
Volksempfindens wurde. Dieses Sichbesinnen auf das Gefühl: war das aber
nicht auch der eigentliche Rern dessen, was man vor dem Rrieg Expressionismus
nannte — wenigstens soweit es lebendig und lebensfähig war? Die ganzen
antiimpressionistischen Versuche hatten künstlerisch ja überhaupt erst einen Sinn
bekommen, als dem Rufe „Los von der Natur!" das „Zurück zum Gefühl!"
an die Seite trat. So lange es hieß: „Zurück zum Bild!" war das Ergebnis
Dekoration; erst als das Schmückende, Artistische Nebensache, das gesteigert
Menschliche und Seelische das eigentliche Ziel wurde, begann wirklich Neues,
Starkes und Gutes fühlbar zu werden. Nach langen Irrfahrten hatte die
junge Generation sich wieder auf sich besonnen: der Rrieg brachte nur die
Einsicht schneller und sicherer noch zur Reife und Rräftigung. Er verdichtete die
langsame Entwicklung zur Plötzlichkeit einer Explosion: das so lange aus
geschaltete Gefühl loderte in nie geahnter Glut auf: jeder Einzelne verlernte
das Sichschämen — und fühlte sich und sein bestes wollen von der riesenhaften
Lcbcnswoge der Zeit im tiefsten gestärkt und bestätigt. Die adaequate Form
für dieses Erlebnis wird vielleicht erst nach Jahren sich ergeben, wenn alles,
was wir in diesen Monaten dann noch weiter erfahren haben, produktiv geworden
ist: in Blättern wie die von Hettner klären sich schon die ersten Niederschläge.
Die Bestätigung des Rrieges aber geht weiter, was die Bewußten und
Starken unter den Jüngeren schon seit langem betont hatten, daß die Führung
im Geistigen, in Runst wie in Dichtung, seit Jahren an die Deutschen über
gegangen war, daß Probleme, die der Betrachtung wert waren, nur in Deutsch
land, aus unserm Weltgefühl behandelt und erledigt werden konnten: diese
Einsicht dämmert jetzt angesichts der Ereignisse auch den anderen auf. Sie ist
nicht das Ergebnis eines kriegerisch übersteigerten Nationalgefühls: der Rrieg
hat nur bestätigt, was man im Frieden schon seit Jahren wußte. Die neue Liebe