Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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haben, mit einer Intensität, wie bei keinem der anderen. Indem Hettncr auf 
die Wiedergabe des nur Äußeren verzichtet, gelangt er zu einem kraftvoll geballten 
Ausdruck des Gefühls, das die ganze Zeit erfüllt. Diesen Rünstlcr, der zwischen 
Instinkt und Erkenntnis seinen weg suchte, riß die große woge des Zeitgefühls 
mit, gab ihm Visionen von allgemeiner Gültigkeit und bestätigte damit zugleich 
ihn und uns alle. Man erkennt vor feinen und ein paar verwandten Blättern 
auf einmal die Notwendigkeit, den vertieften Sinn dessen, was ein Schlag 
wort Expressionismus genannt hat und sieht halb mit Staunen, halb mit 
Freude, wie dieser Rrieg und das, was er in uns mit sich gebracht hat, nicht 
ein 2luslöschen und Regieren, sondern eine große Bejahung des besten wollens 
ist, das in der neuen Generation lebte und nach Gestaltung rang. 
was war doch das Merkmal dieser glühenden Sommertagc, die für uns, 
die wir zum Zuschauen verurteilt sind, das Stärkste brachten, was der Rrieg 
uns bisher gegegeben hat? Es war die elementare Gcfühlswoge, das Eingehen 
des Einzelnen in das Ganze, indem ein jeder sich auf die allen gemeinsamen, 
d. h. auf die Gefühlsschichten seiner Seele besann, Teil eines auflodernden 
Volksempfindens wurde. Dieses Sichbesinnen auf das Gefühl: war das aber 
nicht auch der eigentliche Rern dessen, was man vor dem Rrieg Expressionismus 
nannte — wenigstens soweit es lebendig und lebensfähig war? Die ganzen 
antiimpressionistischen Versuche hatten künstlerisch ja überhaupt erst einen Sinn 
bekommen, als dem Rufe „Los von der Natur!" das „Zurück zum Gefühl!" 
an die Seite trat. So lange es hieß: „Zurück zum Bild!" war das Ergebnis 
Dekoration; erst als das Schmückende, Artistische Nebensache, das gesteigert 
Menschliche und Seelische das eigentliche Ziel wurde, begann wirklich Neues, 
Starkes und Gutes fühlbar zu werden. Nach langen Irrfahrten hatte die 
junge Generation sich wieder auf sich besonnen: der Rrieg brachte nur die 
Einsicht schneller und sicherer noch zur Reife und Rräftigung. Er verdichtete die 
langsame Entwicklung zur Plötzlichkeit einer Explosion: das so lange aus 
geschaltete Gefühl loderte in nie geahnter Glut auf: jeder Einzelne verlernte 
das Sichschämen — und fühlte sich und sein bestes wollen von der riesenhaften 
Lcbcnswoge der Zeit im tiefsten gestärkt und bestätigt. Die adaequate Form 
für dieses Erlebnis wird vielleicht erst nach Jahren sich ergeben, wenn alles, 
was wir in diesen Monaten dann noch weiter erfahren haben, produktiv geworden 
ist: in Blättern wie die von Hettner klären sich schon die ersten Niederschläge. 
Die Bestätigung des Rrieges aber geht weiter, was die Bewußten und 
Starken unter den Jüngeren schon seit langem betont hatten, daß die Führung 
im Geistigen, in Runst wie in Dichtung, seit Jahren an die Deutschen über 
gegangen war, daß Probleme, die der Betrachtung wert waren, nur in Deutsch 
land, aus unserm Weltgefühl behandelt und erledigt werden konnten: diese 
Einsicht dämmert jetzt angesichts der Ereignisse auch den anderen auf. Sie ist 
nicht das Ergebnis eines kriegerisch übersteigerten Nationalgefühls: der Rrieg 
hat nur bestätigt, was man im Frieden schon seit Jahren wußte. Die neue Liebe
	        
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