Full text: 1914-1916 (1914-1916)

Du bist einer von den lichten, 
von dem Aufgang roter Sonne, 
was noch schwarz im Dunkeln geistert, 
weicht von Dir zur Wolkenwende. 
Ruhe schwankt zur Bank der Fäulnis, 
Chaos mißt der Berge Abgrund, 
Leben ist im Niedern trächtig, 
Liebe giert und wird nicht schwanger, 
Schaffen nur gibt Dir die Schöpfung, 
schwebend in des Lichtes starken Stürmen 
rein im Atem den Aether schirmen! 
^^ampfist, Eurasien steht in Brand, und was in diesem Weltteil europäisch 
fühlt, beginnt, um nicht als blinder Passagier seiner Nationalität mißkannt 
zu werden, instinktiv immer stärker zum Ursprung, zu den wurzeln zurückzu 
gehen. Bei aller Toleranz seines mehr kosmopolitischen als völkischen Grund 
wesens dürfte Deutschland nach dem Erdkrieg manchem nur Ausländischen 
abgeneigt sein und, hinweg von keineswegs gesandten, sondern geschickten Assi- 
milanten und Friseuren, zu Lranach, Holbein, Rembrandt heimkehren. Aber es 
ist besser, den lebenden Erben zu stützen, als Tote fruchtlos zu verehren. Diese 
Maxime des Vaters Goethes möge veranlassen, zu betrachten, was heute unser 
ist und in solchem Sinne sei hier auf Zeichnungen des ersten deutschen Malers 
(unter den Lebenden) hingewiesen, auf Werke des Wieners Oskar Kokoschka. 
Die ersten Rokoschkaeindrücke vermittelte mir die wiener Kunstschau (lSstS), 
in der sich massiert hatte (um Klimt), was an wertvollen Kräften die Secession 
verlassen mußte. Damals erregten die „Traumtragenden" Kokoschkas in Wien 
Aufsehen, Eduard pötzl reihte den kriegsmutwilligen Wildling unter die 
indianischen Maler ein, Bahr und Muther machten das Publikum ein wenig 
gönnerhaft auf ihn aufmerksam, nachdem längst Adolf Loos eine Propa 
ganda der Tat für Kokoschka begonnen hatte, was jung in Wien war, oder 
Junges begreifen konnte, fing an, diesen ganz lichten Menschen hoch zu halten, 
den die bald einsetzende herdenhafte Bewunderung eine Mode witternder Snobs 
Gott sei Dank nicht in seinem Entwicklungswege zu beirren vermochte. Sein 
ebenfalls ISstS (im Verlag der wiener Werkstätte) ans Licht gebrachtes Bilder 
buch „Die träumenden Knaben" ist das schönste Dokument der unweg 
samsten Künstlerjugend, die sich je Ln Wien austobte. Die an den Rand des 
Bilderbuches geschriebenen Verse wären leicht einzustellen, die Flamen seiner 
zahmeren Nachbaren Stefan George, Rilke, könnten einen ungefähren Begriff 
von der gewiß autochthonen, weil selbst im Stilisierten unbeholfenen Art seiner 
Lyrik geben, was ihn wegstellt von der raffinierten, bald steifen, bald reim 
schäumenden Kunstdichtung der Genannten, ist: seine Rhythmen atmen wirkliche 
Poesie, sie sind, gleich den Gedichten von Georg Trakl und Else Lasker-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.