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Totengespräch
in
Jules Verne: Mit heißem, vor Begeisterung angeschwollenem Ropf
haben sich die Buben über meine Bücher gebeugt und ihre Phantasie hat in
den Bildern meiner Phantasie und meiner Rechenkunst geschwelgt. Nun erleben
sie als Männer das Alles in Wahrheit, die Riesenkansne, die Flugmaschine, die
Geschwindigkeit, in der sie fast blind von Ort zu Ort sausen. Nur auf den Mond
können sie nicht. Da hinauf bin ich ganz allein mit meiner Phantasie gefahren.
Auf den Mond können sie nicht!
Bönig Leopold: Ich wollte, meine Belgier könnten auf den Mond.
Finanziell ließe sich die Sache sehr gut fundieren.
Jules Verne: Finanziell? Bei Erfindungen spielt der Rostenpunkt
keine Rolle. Ich sage Euer Majestät, was meine Ideen in der Praxis gekostet
hätten, das wäre ins Fabelhafte gegangen. Fast so wie beim Weltkrieg. Das
Sümmchen, das ein Transport der Belgier auf den Mond kosten würde, käme
nicht in Betracht. Ich studiere jetzt in meinen Mußestunden den Bau des Tunells
von Deutschland nach Argentinien, der alles über den Haufen wirft, was die
klügsten und dümmsten Politiker ausgedacht haben.
Bönig Leopold: Auf dem Papier. Dichterflausen. Ich habe eine
nützlichere Arbeit gemacht. Hier sehen Sie in meinem Notizbuch eine Zahl, bei
deren Anblick selbst Ihre Phantasie eine Gänsehaut bekommt. Das sind die
jährlichen Zinsen, die man in Europa auf bringen muß, wenn der Rrieg genau
ein Jahr dauert.
Jules Verne: Haben sich Euer Majestät nicht verrechnet.
Bönig Leopold: Nein, lieber Freund, ich verrechne mich nie. Aber
alle andern haben sich verrechnet. Alle haben sich verrechnet.
Jules Verne: Euer Majestät lachen darüber. Ich möchte weinen. Ich
habe ja mein Leben lang Nutzen aus den Rechenfehlern gezogen, die meinen
Werken die notwendige, wissenschaftliche Grundlage gaben. Aber es waren
Rechenfehler, die Vergnügen gemacht haben, niemand schadeten und meine Tasche
füllten. Die heutigen Rechenfehler kommen zu teuer.
Bönig Leopold: Zu teuer! Damit haben Sie derzeit das Schlag
wort gegeben. Zu teuer an lebendem und totem Material, zu teuer an Geist
und an Geld. Ich sage Ihnen, wenn alle Menschen rechnen könnten, so gut,
wie ich habe rechnen können, sie säßen dick und behaglich im tiefsten Frieden auf
Erden, litten nicht an Ueberproduktion noch an Unterernährung und würden
von Tag zu Tag reicher.
Jules Verne: Haben Majestät schon Leute gesehen, die sich mit solchem
Zustand begnügen würden. Ich nicht. Es liegt etwas im tiefsten Grund der