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was haben sie miteinander, diese eingewurzelten, profilierten, schweren, unver-
brückten Berge? Diese Brutalität der Menschenliebe, was dürfen wir sie mit
Liebe bedrängen; diese Verführung, die Ungleichen mit umschließender Liebe
zusammenzuwerfen; diese Bedrohung des Menschen um des Begriffes „Mensch
heit" willen, diese Leichenhaufen, von Humanität für die Menschheit gehäuft!
Und was ist uns Menschen die Menschheit, wenn nicht Feindin, an ihr zu wachsen!
O Wort Humanität, geschaffen, meinen idealen Rontur zu kennzeichnen,
verdorben zur gefühllosen Begreifung eines Schemens. Feige Verleugnung des
wirklichen, des Menschen, um seines nicht existenten Begriffs willen.
Aber fangen wir doch beim nächsten an, bei diesem hier: O Bruder, Fremder,
der du neben mir zusammenbrachst, über dich beuge ich mich. 3# weiß, daß du
mir fremd bleibst, was ich bringe, dich zu beseligen, fassest du nicht, meine
stillen, wütenden Schmerzen um dich, um deinen Begriff ahnst du nicht.
Soll ich nun dich zu meiner Liebe zwingen?
Aber dein wund verwilderndes Fleisch stinkt — aber, o Menschliches, dein
wundes Glied schmerzt wie meines. Jetzt kenne ich dich, hier halte ich dich,
bekehre dich noch nicht, heile dich, Rameradl
Du, der du in meiner Welt bist; du Bild meines Auges, Gast meines Herzens,
du bist mir wesentlich, du aus meiner Welt! — und nicht mehr Menschlichkeit!
Weltlichkeit wird uns führen!
Rudolf Leonhard