Selbst ein Larlyle, der gewiß ehrlich bemüht war, deutschem Wesen gerecht
zu werden, moquicrt sich in seinev „Charakteristik des deutschen Professors
Teufelsdröckh" (jetzt abgedruckt in Stieves „Unsere Feinde, wie sie die Deut
schen hassen" im Delphin-Verlag) über die Unfähigkeit des deutschen Professors,
seine Erkenntnisse organisch vorzutragen. Gerühmt werden seine Geduld als
Forscher, seine philosophische und selbst poetische Rraft, bedauert seine Weit
schweifigkeit und seine oft zur Abgeschmacktheit gesteigerte stilistische Ver
schrobenheit. „von seinen Sätzen stehen vielleicht neun Zehntel gerade auf den
Beinen, die übrigen kommen ganz ungehauen und ungestochen heraus, mit
Parenthesen und Gedankenstrichen durchsetzt, als bedürften sie derer als Stütze,
und jedesmal schleppt irgend eine Lumperei als häßliches Anhängsel nach, ja
einzelne fliehen sogar nach allen Seiten rettungslos auseinander, haltlos und
ohne Rückgrat."
wir selbst führen seit langem als stehende Figur den Professor, der ewig
vergeßlich ist, der dauernd Schirm und Gummischuhe stehen läßt — die deut
schen Witzblätter zehren noch heute zu einem großen Teile von seiner so er
schütternd komischen weltfremdheit. wir selbst sind also gewiß nicht ohne
Anteil an der Schuld, wenn das Ausland die deutsche Gelehrsamkeit für so
viel ärmer an Organisation hält, als die deutsche Praxis.
Das höchste Gut geistiger Organisation ist die Runst I
In allem, was Praxis angeht, sind wir uns unserer Organisations
fähigkeit mit Stolz bewußt. Jn der Wissenschaft lassen wir uns in einer
gewissen Fahrlässigkeit noch immer den Witzblatt-Professor gefallen und als
typisch aufreden, obgleich er es vielleicht niemals war. In der Run st ist es
vielen geradezu unheimlich, wenn mit dem Begriff des „Organischen" Ernst
gemacht wird.
Dem Begriff des Organischen haftet etwas Zwingendes, Notwendiges, ja
Unerbittliches an. Er ist das gerade Gegenteil zum Sentimentalen, Träume-
rischen, von hier aus ist die instinktive Abneigung gegen die Verbindung der
Begriffe Runst und Organisation wohl zu verstehen, wir haben eine Periode der
Runst erlebt, die man ihrem tiefsten Wesen nach als zur Intimität neigend
charakterisieren muß. Die Beweise sind so bekannt, daß es kaum nötig ist,
sie in der Länge zu wiederholen: Mangel einer Monumentalmalerei, Pflege
und Blüte des kleinen, intimen Galeriebildes, Tendenz, der Großstadt
architektur durch Giebelchen, Fachwerkchen, Türmchen im Stile etwa eines
Grunewald-Landhauses eine (in Wahrheit völlig sinnlose) Intimität zu
sichern u. dgl. m. wie man das überall im Laufe der Runstentwicklung ver
folgen kann, ging mit der Intimität Hand in Hand die Neigung zur Senti
mentalität und zum Naturalismus in der Runst. Einem äußerlich paralleli-
sierenden Psychologismus könnte es freilich scheinen, als sei der künstlerische
Naturalismus mit seinen Häßlichkeitskonsequenzen das Zeichen einer unsenti
mentalen Gesinnung — das Gegenteil trifft in Wahrheit zu. Jeder Natura