Religion und Nation
^)eide haben den Mittelpunkt und die reinste Esten; — ihre
Sonuenhaftigkeit möcht' ich jagen — in einem mystischen Erleben.
Aus diesem kommt ihnen Recht und Adel für die Rleinungeu und
das Handeln. Hinter den ursprünglich Erlebenden, als den aus
der Quelle trinkenden, drängt sich die Waste der Trüberen, Sugge
rierten in mehr oder minder zufälliger Anordnung und Abgren
zung. Solche Gebilde sind die wechselnden Erscheinungen von Kirche
und Staat.
Vergesteu wir nicht: das reine Erlebnis ist in diesen Gebilden
verdunkelt, vor allem mit seinem Wesen ganz fremden Besitz- und
Geldfragen vermengt; und vielleicht müßte eine Reformation des
Rationalen ein tiefstes nationales Lich-selbst-Zinden, mit mehr
Recht sich von gewisten politischen Gegebenheiten emanzipieren als
die Reformation des Lhristeutums von der katholischen Kirche sich
emanzipiert hat. Liner solchen Anschauung würde das Verhältnis
von Nationalgefühl und Patriotismus dem Verhältnis von echter
Gottliebe und Papsttreue vergleichbar erscheinen.
Seltsam, daß das Wüten der nationalen Leidenschaft einer
späteren Stufe der Völkergeschichte vorbehalten blieb als der re
ligiöse Zanatismus. Vernünftigermaßen hätte man die umgekehrte
Reihenfolge erwartet. Denn das Religiöse ist ganz 2nnen, letztlich
nnmitteilbar. Daß einer glaubt, es gebe nur eine, seine Art» das
Göttliche zu erkennen, ihm zu dienen, ist unwiderleglich. Wüsten
nicht alle andern irren oder lügen? An welchem Zeichen könnten
sie die Echtheit ihres Erlebens nachweisen?
Aber die Gegenstände nationalen Erlebens, so komplex und der
streng begrifflichen Zestlegung widerstrebend sie sein mögen, man