Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Glossen und Kritiken 
Lpitteler, Earl. Unser 
Schwerer Standpunkt. Zü 
rich, 1915. Das ist der vielbeschrieene 
Vortrag Lpittelers. Weil er darin 
sagt, was er denkt, wurde er von der 
deutschen Tagespresse und ihrer Ge 
folgschaft in Acht und Bann getan 
«nd als „undankbarer Deutschenfeind" 
verlästert. 
2n Wahrheit kann man vor solch 
einer Äußerung nur )weierlei fragen: 
Erstens: Ost Gesinnung und Art der 
Äußerung anständig oder nicht? 
Nun, dieser Vortrag ist nicht nur an 
ständig, sondern geradezu vorbildlich 
ruhig und vornehm. Menschlicher und 
schöner, als Lpitteler es tut, kann man 
den unmenschlichen Begriff „neutral" 
überhaupt nicht auffassen. Darüber ist 
gar nicht )u diskutieren. 
Diezweite Zrage wäre: Hat er recht? 
Oder hat er unrecht? 
Auch darüber ist nicht viel zu sagen. 
Er h a t recht. Er redet als Schweizer; 
und ich möchte wissen, welchen Stand 
punkt ein Schweizer einnehmen könnte, 
der richtiger wäre, als dieser Stand 
punkt Lpittelers? 
2n einer Einzelheit, in dem, was er 
von uns und Belgien sagt, hat er 
vielleicht, hat er wohl sicher unrecht. 
Wenn er aber tausendmal unrecht 
hätte — was täte es? Was könnten 
und dürften wir erwidern? Doch 
eben nur: „Du haft tausendmal un 
recht!" Und weiter nichts. 
Oder ist es plötzlich verboten, eine 
andere Meinung zu haben? Gilt es 
für ehrlos, etwas anderes für recht 
}u halten? 2ch hoffe, so schwach sind 
wir in Deutschland noch nicht, daß wir 
nicht die fremde Meinung hören und 
respektieren könnten. 
Und wenn sie ihrem Herrn so bitter 
lich schwer geworden ist, wenn sie so 
ernst, so vornehm und bescheiden 
daherkommt, wie hier, dann sollten 
wir ruhig — das tun, was Spitteler 
am Ende seiner Rede vor uns und 
unserem Leide tut — wir sollten den 
Hut vor ihr abnehmen. Auch wenn 
wir tausendmal anderer Meinung 
sind. Das würde uns ehren. Schimpfen 
(das gilt für immer!), schimpfen ehrt 
nie den Schimpfenden; ober oft den 
Beschimpften. 
(Zum Schluß weiß man nicht: weshalb 
die Aufregung? 6ch glaube, tatsäch 
lich wegen der paar von Spitteler 
gebrauchten Vergleiche. „Wenn ein 
Einbrecher Sie mit dem Messer be 
droht, so rufen sie unbedenklich 
2hren Haushund zu Hilfe." 2n diesem 
Vergleich spielen wir die Rolle des 
Einbrechers, die farbigen Hilfsvölker 
der Engländer und Franzosen die des 
Hundes. Aber jemanden mit einem 
Einbrecher vergleichen heißt noch 
nicht ihn des Einbruchs beschul 
digen. Daran kann Spitteler, nach 
dem, was er sonst sagt, gar nicht ge 
dacht haben. 
„Stellen Sie sich vor, Sie wären ein 
Regenwurm, würden 2hnen ge 
pflasterte Straßen angenehm sein?" 
Damit behaupte ich noch nicht, daß 
Sie ein Regenwurm sind. Und wenn 
Ehristus den lieben Gott mit dem 
ungerechten Richter vergleicht, 
dann meint er auch nicht, daß Gott ein 
ungerechter Richter i st. 
Soviel von Vergleichen, Lpitteler, 
Ansland und uns. über die Schrift 
nur das Line: daß sie höchst lesens 
wert ist. H. 5.
	        
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