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besser: wie eine Kugel; man weih, er
selbst weih nicht, was hinten und was
vorne ist. (Lr bildet sich höchstens ein,
es ?u wissen.) Lr ist so rund, so rund
gefeilt durch Skepsis, Literatur und
Leben, dah er sich künstlich Ecken
macht. Lr ist kein Klotz, kein tete
carre. Lr ist kein ungehobelter Strolch,
kein Bulle, kein Bandit. Lr ist viel
mehr — Lr ist vielmehr ein Dichter.
Das ist nun nicht so einfach wie Pflaumen
essen und Lauben schiehen. Das ist
überhaupt nicht sehr bequem; das nimmt
viel Seit, viel Lebenszeit in Anspruch.
Und darüber ärgert sich K. Ldschmid.
Lr möchte leben und muh statt dessen
dichten. Lr möchte lebendig sein und
ist doch bloh (im besten Zoll) unsterb
lich. Das ist sein Llend, das ist seine
Krankheit.
Line neue, eine moderne Krankheit.
Der Dichter, der es nicht gern ist.
Zrüher „krankten" die Dichter am
Leben. Ls ekelte sie an, es pahte ihnen
nicht, sie taten nicht gern mit, sie waren
nicht gerne lebendig. Ldschmio steÜI
den neuen Lgp, den an der Literatur
erkrankten Dichter. Lr findet sie ekel
haft, er gehört nicht gerne dazu, er
wäre viel lieber lebendig.
Lr stürmt ins Leben wild hinaus. Aber
dieser Sturm ins Leben ist einstweilen
noch mehr eine Zlucht vor der Literatur.
Dieser krampfhafte, ängstliches urmlauf
wird wohl durch einige Bücher hin
dauern. Einige Bücher, über die man
sich (wie über dies erste, über diese
schöne Hochreitsgeschichte ?. B. mit dem
kopflosen, eiligen, feigen Schluh), über
die man sich oft mehr ärgern wird als
freuen. Die man höchst unzufrieden,
aber höchst engagiert aus der Hand
legen wird, und rum sechsten Male an
die Wand knallen.
Einmal aber soll dann der Tag kommen,
an dem der atemlose Sturmlauf, die
Zlucht vor dem Gespenst der Literatur-
ahnfrau ein (hoffentlich friedliches 1)
Ende findet. Dann wird er ein nicht
mehr eiliges Buch schreiben. Ein Buch,
in dem auch mal jemand lebendig bleibt
?. B. Lin Buch, vor dem wir keinen
Respekt haben werden. Lin Buch viel
mehr, das wir lieben werden.
Soviel über Ldschmid. über das Buch
nichts weiter. Man soll es lesen! Ls
ist frag- und lesenswürdig genug. Lin
wcnig noch über die Sprache: Sie ist
(wie der Dichter) von Haus aus kom
pliciert. Lr möchte sie unkompliziert
haben. Dadurch wird sie nun ganz
kompliciert. Ls ist so einfach, kom
pliciert ;u sein. Aber unkompliziert
sein wollen, wenn man kompliciert ist,
das ist der Gipfel der Kompliciertheit.
Manchmal fchieht er ein Wort, wie
einen Pfeil. Meistens wirft er, wie
einen Lasso, einen retardierenden Bogen
sorgfältig improvisierter Worte und
Sätze nach seinem (Ziel. Aber oft ist
der Lasso schon vorher an seinem lang-
bekannten (Ziel befestigt und der schöne
Bogen blitzt erstarrt und künstlich durch
die Luft, wie auf einer guten Photo
graphie.
Gegen eine üble Aachrede (die in diesem
Zolle eine Vorrede ist) muh das Buch
in Schutz genommen werden. Es wird
da behauptet, diese Kunst hätte „keine
Ahnen". Das ist eine haltlose Ver
leumdung. Sie hat Ahnen und Väter
wie jedes Geschöpf. Soviele wie der
Gesundheit cuträglich sind. Soviele,
dah der Dichter sie vielleicht nicht ein
mal alle kennt. Hans Siemsen
Berliner Secession. Kurfürsten
damm. Der Gesamteindruck wäre der
übliche, das Ganze kaum der Erwähnung
wert, wenn es nicht einigen der Aus-