Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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besser: wie eine Kugel; man weih, er 
selbst weih nicht, was hinten und was 
vorne ist. (Lr bildet sich höchstens ein, 
es ?u wissen.) Lr ist so rund, so rund 
gefeilt durch Skepsis, Literatur und 
Leben, dah er sich künstlich Ecken 
macht. Lr ist kein Klotz, kein tete 
carre. Lr ist kein ungehobelter Strolch, 
kein Bulle, kein Bandit. Lr ist viel 
mehr — Lr ist vielmehr ein Dichter. 
Das ist nun nicht so einfach wie Pflaumen 
essen und Lauben schiehen. Das ist 
überhaupt nicht sehr bequem; das nimmt 
viel Seit, viel Lebenszeit in Anspruch. 
Und darüber ärgert sich K. Ldschmid. 
Lr möchte leben und muh statt dessen 
dichten. Lr möchte lebendig sein und 
ist doch bloh (im besten Zoll) unsterb 
lich. Das ist sein Llend, das ist seine 
Krankheit. 
Line neue, eine moderne Krankheit. 
Der Dichter, der es nicht gern ist. 
Zrüher „krankten" die Dichter am 
Leben. Ls ekelte sie an, es pahte ihnen 
nicht, sie taten nicht gern mit, sie waren 
nicht gerne lebendig. Ldschmio steÜI 
den neuen Lgp, den an der Literatur 
erkrankten Dichter. Lr findet sie ekel 
haft, er gehört nicht gerne dazu, er 
wäre viel lieber lebendig. 
Lr stürmt ins Leben wild hinaus. Aber 
dieser Sturm ins Leben ist einstweilen 
noch mehr eine Zlucht vor der Literatur. 
Dieser krampfhafte, ängstliches urmlauf 
wird wohl durch einige Bücher hin 
dauern. Einige Bücher, über die man 
sich (wie über dies erste, über diese 
schöne Hochreitsgeschichte ?. B. mit dem 
kopflosen, eiligen, feigen Schluh), über 
die man sich oft mehr ärgern wird als 
freuen. Die man höchst unzufrieden, 
aber höchst engagiert aus der Hand 
legen wird, und rum sechsten Male an 
die Wand knallen. 
Einmal aber soll dann der Tag kommen, 
an dem der atemlose Sturmlauf, die 
Zlucht vor dem Gespenst der Literatur- 
ahnfrau ein (hoffentlich friedliches 1) 
Ende findet. Dann wird er ein nicht 
mehr eiliges Buch schreiben. Ein Buch, 
in dem auch mal jemand lebendig bleibt 
?. B. Lin Buch, vor dem wir keinen 
Respekt haben werden. Lin Buch viel 
mehr, das wir lieben werden. 
Soviel über Ldschmid. über das Buch 
nichts weiter. Man soll es lesen! Ls 
ist frag- und lesenswürdig genug. Lin 
wcnig noch über die Sprache: Sie ist 
(wie der Dichter) von Haus aus kom 
pliciert. Lr möchte sie unkompliziert 
haben. Dadurch wird sie nun ganz 
kompliciert. Ls ist so einfach, kom 
pliciert ;u sein. Aber unkompliziert 
sein wollen, wenn man kompliciert ist, 
das ist der Gipfel der Kompliciertheit. 
Manchmal fchieht er ein Wort, wie 
einen Pfeil. Meistens wirft er, wie 
einen Lasso, einen retardierenden Bogen 
sorgfältig improvisierter Worte und 
Sätze nach seinem (Ziel. Aber oft ist 
der Lasso schon vorher an seinem lang- 
bekannten (Ziel befestigt und der schöne 
Bogen blitzt erstarrt und künstlich durch 
die Luft, wie auf einer guten Photo 
graphie. 
Gegen eine üble Aachrede (die in diesem 
Zolle eine Vorrede ist) muh das Buch 
in Schutz genommen werden. Es wird 
da behauptet, diese Kunst hätte „keine 
Ahnen". Das ist eine haltlose Ver 
leumdung. Sie hat Ahnen und Väter 
wie jedes Geschöpf. Soviele wie der 
Gesundheit cuträglich sind. Soviele, 
dah der Dichter sie vielleicht nicht ein 
mal alle kennt. Hans Siemsen 
Berliner Secession. Kurfürsten 
damm. Der Gesamteindruck wäre der 
übliche, das Ganze kaum der Erwähnung 
wert, wenn es nicht einigen der Aus-
	        
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