Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Dann schenkte er sich ela» verdünnte ein wenig mit Wasser, trank und 
griff nach dem Brot. Es scheint mir wahrscheinlich» daß er Elsässer ist, ich beginne 
mich für ihn zu interessieren» denn er ist kein Geheimnis, daß das Elsaß stch 
anders auf den Krieg einstellt als die alten deutschen Länder. Ein wenig 
empfinde ich ihn als Landsmann. 
Der Wirt erschien wieder und stellte eine große grüne Zlasche vor ihn. 
„Sst das der Riesling?- fragte der alte Herr. 
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Daun feien Sie so gut vnd ersparen Sie mir diese häßliche Zlasche, die 
außerdem viel zu groß ist. Sch wurde drei Eage daran brauchen und der Wein 
zu Essig werden. Haben Sie keine weiße Schoppenflasche?- 
Aber schon erblickte er die Wasserflasche, die auf dem Lisch stand. Sie 
war geschliffen, klein, hübsch. 
„Soviel geben Sie mir bei jeder Mahlzeit — der elsässische Wein ist kein 
Zlaschenwcin," fugte er hinzu, sich halb zu mir wendend» vnd sich gleichsam ent 
schuldigend, „man nimmt ihn vom Zaß und nie mehr, als mau im Augenblick braucht.- 
26. Outti 
Adrian tauchte auf. Er war wie gestern angebogen, ganz der Rentner» 
wie mau ihn Mischen Rhein und Bogeseu findet, nur die Binde war neu, 
denn ste war ebenso nuzerknittert und weiß wie am Eage vorher. Er trat jn der 
Kapelle, die unter der Wandelhalle sitzt, und begrüßte den Kapellmeister. Der 
eine beugte stch hinab, der andere schaute hinauf, und beide waren weißhaarige 
alte Herren. 
Der Kapellmeister hatte einen Backenbart mit ausrastertem Kinn, so daß 
er einem russischen Staatsrat aus den Romanen Turgeuiews glich; sein Haar 
war ebenso voll wie das Adrians. Er trug darauf einen steifen, runden Hut 
wie die meisten Mitglieder feiner Kapelle, und wenn er dirigierte, rutschte 
der Hut ein wenig in die Stirn, was dem alten Herrn verwegen stand. Es 
war hübsch» dreißig dieser Hüte zu betrachten, während der Lhoral gespielt 
wurde. Das wird solange dauern, bis ein Eingesandt ans dem Publikum verlangt, 
daß die Musiker bei dieser heiligen Musik barhäuptig sein müssen. 
Der Kapellmeister klopfte für das nächste Stück» und Adrian ging weiter. 
3ch sah, wie er an dem einen Ende der Wandelhalle stch von einer Blumen- 
Verkäuferin eine Rose geben ließ und daun am anderen einen Spaziergang längs 
der Berkaufsstäude unternahm. Bei den böhmischen Granaten blieb er steh» 
und überreichte der Verkäuferin die Rose. Sch schlenderte näher, das Mädchen 
war ein schwarzes, zierliches Persönchen, das von gewölbten Augenbrauen wie 
von einem Bogen Blicke schoß. Adrians Augen waren ganz dunkel, in ihrem 
Weiß war das cholerische Gelb. 
Kurz vor eins betrat ich das Haus mit den Spiegelscheiben. Einige
	        
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