Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Paul LcheerbarL f« 
ffieltt Adjektiv erreicht Dich, keine Anekdote trifft Dein Wefev» denn Du 
warst die Schönheit felbst» unfaßbar und immer entgleitend dem Begriff. Kein 
Urteil wird Dich wägen, keine Erklärung Dich bannen» denn Du warst das 
künstlerische Schaffen felbst, eine reine fchöue hohe Zlamme. 2u Weisheit ohne 
Eheorie warst Du vollkommene Offenbarung der Kunst» von Deiner fchöuen 
frühesten Paradies-Dichtung au. Aach den Borhöfen der Kunst war Deine Bahn 
niemals orientiert. Du brauchtest ste nicht einmal zu meiden — sie waren nicht in 
Deiner Welt. Diese Deine Welt lag hinter dem» war die Allgemeinheit Kunst 
nennt. Andere dürfen stolz fein, wenn ihnen eine „Zorm" gelang. Dn sahest, daß 
jede „Zorm" Erstarrung und Zefinageluug ist, daß aber Schönheit ganz wesentlich 
Bewegung» Auflösung» Schwingen und Schweben ist. Das was die Seeleublindheit 
Form nennt, steckt voller Hochmut und ist Beschränktheit. Du aber erlebtest die 
Unendlichkeit und warst vor ihr voller Demut. Dein Schaffen war unendliche 
Aatur, und eben deshalb konnte Dir das „Aatürliche" nur Gegenstand der 2rou!e 
fein. 
Der Gedanke au Dich ist eine ungeheure Mahnung. Aie hast Do Alah- 
vungeu ausgesprochen, und doch empfand felbst der Stumpfeste eine solche Wirkung. 
Wer vor ihrer Unbequemlichkeit erlag, wurde voller Haß gegen Dich. Alles 
Dunkle und alles Krumme mußte vor Dir in feine Löcher flüchten — vor leisesten» 
vor feinsten Bewegungen Deines Geistes. Das war das Wunder: nicht durch 
„Ethik" wirktest Du, sondern durch „Eakt". Ethik ist erträglich, Ethik ist nicht 
beleidigend, aber Eakt ist eine tödliche Waffe. Dar war: well Du vollkommene 
Schönheit warst, weil vollkommene Schönheit vollkommener Sinn ist, deshalb 
genügten zarteste Strahlen Deines Geistes» um im Sinnlosen, dar ist im Häßlichen, 
wie Zeuer zu wirken. 
Du Weisester und Glücklichster hattest über die Erde den vollkommensten 
Sieg. Aber deswegen Deine Dichtung rum „Kosmischen Humor" zu stempeln, 
bleibt sehr kurzsichtig. 2n diesem Betonen der „Kosmischen" spricht sich nur das 
Gefühl der Fremdheit aus — die Aieufcheu mußten Dich distanzieren. Weil ste Deine 
unversehrte fchlackeulofe Reinheit nicht empfanden, glaubten Dich die Börger als 
Unmenschen im kalten Weltenranm. Und die Poeten, denen Du begegnen wirst» 
könnten leicht zu Deiner unseriösen Offenheit bemerken, Du feist zu mensch 
lich, zu natürlich, Do gehörtest auf die Erde zurück. 
2a, als Aleufch ohne Adjektiv, als Künstler, gehst Du, Paul Scheerbart, 
zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit Deine funkelnde Bahn — ein eigener, 
souveräner Stern. 
Sie wollten Dich zum „armen Poeleu" plattdrücken, die Schwätzer. Du wärest 
reicher als ste alle. 2ch meine nicht „im Geiste" — das steht ja außerhalb der Dis- 
kufstonsmöglichkeit. Du wärest reicher lm üppigen Genuß ungezählter Reize. Do 
warst ein Verschwender, warst von wundervoller Gastlichkeit. Du warst so reich 
in Deinem unendlichen Bedürfnis nach Schönheit, Freuden und Reizen. Und alles, 
alles wurde Dir zu einem Reiz. Du verwandeltest mit zauberischer Grazie alles 
aus Deiner Umgebung in Reiz der Schönheit, Du hast selbst dar Stumpfe zum 
Eanzeu gebracht. Adolf Behne
	        
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