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Paul LcheerbarL f«
ffieltt Adjektiv erreicht Dich, keine Anekdote trifft Dein Wefev» denn Du
warst die Schönheit felbst» unfaßbar und immer entgleitend dem Begriff. Kein
Urteil wird Dich wägen, keine Erklärung Dich bannen» denn Du warst das
künstlerische Schaffen felbst, eine reine fchöue hohe Zlamme. 2u Weisheit ohne
Eheorie warst Du vollkommene Offenbarung der Kunst» von Deiner fchöuen
frühesten Paradies-Dichtung au. Aach den Borhöfen der Kunst war Deine Bahn
niemals orientiert. Du brauchtest ste nicht einmal zu meiden — sie waren nicht in
Deiner Welt. Diese Deine Welt lag hinter dem» war die Allgemeinheit Kunst
nennt. Andere dürfen stolz fein, wenn ihnen eine „Zorm" gelang. Dn sahest, daß
jede „Zorm" Erstarrung und Zefinageluug ist, daß aber Schönheit ganz wesentlich
Bewegung» Auflösung» Schwingen und Schweben ist. Das was die Seeleublindheit
Form nennt, steckt voller Hochmut und ist Beschränktheit. Du aber erlebtest die
Unendlichkeit und warst vor ihr voller Demut. Dein Schaffen war unendliche
Aatur, und eben deshalb konnte Dir das „Aatürliche" nur Gegenstand der 2rou!e
fein.
Der Gedanke au Dich ist eine ungeheure Mahnung. Aie hast Do Alah-
vungeu ausgesprochen, und doch empfand felbst der Stumpfeste eine solche Wirkung.
Wer vor ihrer Unbequemlichkeit erlag, wurde voller Haß gegen Dich. Alles
Dunkle und alles Krumme mußte vor Dir in feine Löcher flüchten — vor leisesten»
vor feinsten Bewegungen Deines Geistes. Das war das Wunder: nicht durch
„Ethik" wirktest Du, sondern durch „Eakt". Ethik ist erträglich, Ethik ist nicht
beleidigend, aber Eakt ist eine tödliche Waffe. Dar war: well Du vollkommene
Schönheit warst, weil vollkommene Schönheit vollkommener Sinn ist, deshalb
genügten zarteste Strahlen Deines Geistes» um im Sinnlosen, dar ist im Häßlichen,
wie Zeuer zu wirken.
Du Weisester und Glücklichster hattest über die Erde den vollkommensten
Sieg. Aber deswegen Deine Dichtung rum „Kosmischen Humor" zu stempeln,
bleibt sehr kurzsichtig. 2n diesem Betonen der „Kosmischen" spricht sich nur das
Gefühl der Fremdheit aus — die Aieufcheu mußten Dich distanzieren. Weil ste Deine
unversehrte fchlackeulofe Reinheit nicht empfanden, glaubten Dich die Börger als
Unmenschen im kalten Weltenranm. Und die Poeten, denen Du begegnen wirst»
könnten leicht zu Deiner unseriösen Offenheit bemerken, Du feist zu mensch
lich, zu natürlich, Do gehörtest auf die Erde zurück.
2a, als Aleufch ohne Adjektiv, als Künstler, gehst Du, Paul Scheerbart,
zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit Deine funkelnde Bahn — ein eigener,
souveräner Stern.
Sie wollten Dich zum „armen Poeleu" plattdrücken, die Schwätzer. Du wärest
reicher als ste alle. 2ch meine nicht „im Geiste" — das steht ja außerhalb der Dis-
kufstonsmöglichkeit. Du wärest reicher lm üppigen Genuß ungezählter Reize. Do
warst ein Verschwender, warst von wundervoller Gastlichkeit. Du warst so reich
in Deinem unendlichen Bedürfnis nach Schönheit, Freuden und Reizen. Und alles,
alles wurde Dir zu einem Reiz. Du verwandeltest mit zauberischer Grazie alles
aus Deiner Umgebung in Reiz der Schönheit, Du hast selbst dar Stumpfe zum
Eanzeu gebracht. Adolf Behne