Glossen und Kritiken
AlfredWolfenfielu. «„Die l-l«.
same Anomalie in meinem Dasein ließ
meine Gefühle niemals dem Herren, ließ
meine Leidenschaft stets dem Gedanken
entspringen." E. A. Poe.)
Der Begriff „Gedaukenlgrik" behielt
lange etwas Verdächtiges von der pro-
phglaktifchev Art nvd Weife, mit der
er auf der Schule in feinen verquollen-
fleu Exemplaren gegen uns angewandt
wurde. Dort gab es nämlich in dev
durch- und durch-gehechelten Beispie
len weder Gedanken noch Lgrik. So
ein paar Elitefällen nur Gedanken
(aber seit 2ahr;ehuteu tote Gedanken).
Später kam aus dem Erleben heraus
der Begriff als ein ganz Neues, das
Fleisch und Blut befaß. Da blühte die
Erkenntnis, daß „Gedaukevlgrik" nicht
immer bloß ertüftelte und erfchwitzte
Bosselei ;u sein braucht» sondern in
Her? und Hirn erlittene, im Gefühl wie
in einem Fegefeuer reiugeglühte und in
prasselnden Eruptionen aus der Seele
gerissene Sensation leibhaftig wandeln
lassen kaun.
Nämlich immer manifestieren stch die
zwei Grundtgpen in jeder Gruppe
Dichtung: Gefühl und Gedanke, Her;
und Hirn (oft gleichbedeutend mit dem»
was Gervinns als mustkalifche und pla
stische Gattungen der Dichtung un
terschied), Burger und Klopstock»
Schickele und Werfel. (Wir jagen
heut vielleicht: Aeo-Melodiker und
Aeo-Pathetiker.) Und schon indem
ich die letzten beiden Namen hin
schreibe, wird klar» wie nahe jetzt die
;wei Wege einander laufen: das Her;
fingt, was das Hirn erfüllt» und die
Gedanken entladen in Blitzen der 2u-
bruust die Spannung, die die ruckenden
Gefühle rufammeuballteu. Das 2deal
des Hermaphroditen (man deute das
Wort jo wefeutlich-platonifch» wie es
gemeint istl) nimmt Gestalt au. 2u
Alfred Wolfeusteius Gedichtbuch „Die
gottlofeu 2ahre" (bei 5. Fischer, Ber
lin) scheint mir der Pfad Lgrik, der
mehr durch die Stirn als durch die
Brust steigt, am konsequentesten weiter-
gebahnt. Zwei Sähe hat dieser Dich
ter, die wie Bergmauuslampeu vor ihm
her brennen: „Kein Schicksal soll mir
meine Stirn entführen" und „2m Eise
blanksten Denkens fingt des Mannes
Melodie . Dem Kompromiß mit
tändelnden Herrichtern glättet fich kein
Entgegenkommen» noch weniger mit
den Akrobaten restlos gekonnter Tech
nik. (Hier liegt eine Fußangel.) 2u
der Prosa wäre Einstein oder Frau;
2ung eine ungefähre Parallele, in
Rilke-Stücken wie „Der Ball", „Der
Hund" entsprang vielleicht ein erster
Nachbar dafür. Straff dreht ei«
Nhgthmus, der fich jeden Augenblick i»
der Gewalt hat, fein Seil, und der die