Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Bücher (äußerlich oder ras Sauersten) ««vollendet bleibe«. Schuld und Sühne 
bricht ab, als Aaskolnikows anderes Leben beginnt, der Säugling, als feine „neue 
Geschichte" anhebt, die Bruder Karaurafoff, als Aljofcha Hand in Hand mit den 
Kindern steht vor feinem Aufbruch. Ls wäre fchade, wenn es anders wäre. Alles 
Uetze stch auf taufeudfache, auf herrUche Weife jn Lude führen, aber kein hellster 
Lag könnte fo fchön fein, wie dieser Sonnenaufgang, und kein Lebe« so reich, svie 
dieser Beginn. 
Lr schildert die Sagend, und liebt ste, wie niemand sonst, well ste, nur 
sie, in einem Menschen die ganze Menschheit noch umschüetzt vom Mörder bis 
zum Heiligen, heilig ste selbst in dieser All- und Uubestimmbarkeit. 
Wird Rußland selbst diese Welt, diese Dostojewski-Welt, sein, die im Lut 
steheu ist und aus Licht drängt? 2st es so» wie gleichgültig» wie völlig falsch gestellt 
stud daun alle Fragen: ob er europäisch ist oder astatisch, Kulturland oder barbarisch, 
Ration oder rerfalleudes Völkergemisch, christlich oder nur orthodox, aufsteigendes 
Volk oder Staat in Zersetzung? Es ist dann das alles und ist nichts von alledem; 
verstukeude Vergangenheit, zugleich aufsteigende Zukunft. Gerade darum aber 
von uns, von uns Deutschen im Wesen verschieden. 
Denn wir, soir werden nicht, wir stud. Wir dürfen uns nicht damit trösten, daß 
«ufere Zeit noch kommt, daß unser Gedanke noch gedacht, unsere Form noch 
gefunden werden wird. Unser Los ist schon geworfen, unser Gesetz «ns schon 
gegeben, unser Weg schon vorgezeichuet. Wir müßen ihn gehen und haben gar 
keine Entschuldigung, wenn wir ihn verfehlen. Unser Los ist schon beschränkt. 
Aber immer noch reich genug und verantwortungsvoll genug. Bon uns wird es ab 
hängen, ob das, was Deutschland sein sollte, ein leeres Wort bleibt oder eine 
Erfüllung wird. 
Was Rußland fein wird, das wißen wir nicht. Auch Dostojewski weiß es 
nicht. Für ihn ist es noch alles. Und er sucht das Allerumfaßeudste, um es überhaupt 
auszudrücken: Rußland das ist die Erlösung, Rußland das ist die Liebe, Rußland 
das ist Ehristus. Und damit wird er, der Fremde, er» der Dichter der komnseuden 
Welt, doch der allergegenwärtigste für uns. Denn dies: Leben, Liebe, Erlösung, 
das ist auch uns das Wichtigste» Notwendigste, das was die Sehnsucht unserer 
Lage am vollsten umschreibt. So stehen wir Deutschen alle jetzt unter seinem, 
des Rußen Schatten. Unser ganzes geistiges Leben ist so Dostojewski-durchträukt, 
daß wir selbst es kaum wißen. Und es ist schön und gut» daß wir au diesem aller- 
russtschsteu Dichter (wieder mal) spüren, daß alles ganz und gar und eingefleischt 
Rationale zugleich international daß heißt meuschüch ist. Rationalität Kanu nur 
trennen, wenn ste einen Mangel bezeichnet und eine Schwäche. Wenn wir uns 
aber richtig und grüudüch mit den andern vereinigen wollen» können wir gar nichts 
beßeres tun, als suögüchst stark, wir selbst sein. Rur so tun wir ihnen einen Ge 
fallen. Dostojewski hat uns Deutsche nie recht ausstehen können und ist sogar 
recht ungerecht gegen uns gewesen. Und welchem philogersoanischeu Westler stud 
wir so sehr zu Dank verpflichtet, svie chm? Friedrich Mark
	        
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